Ein Bauwerk der Superlative im wahrsten Sinne des Wortes wird zur Zeit im New Yorker Geschäftszentrum Manhattan realisiert. Es ist dies das neue World Trade Center, ein Gebäudekomplex bestehend aus zwei 407 m
hohen Türmen mit 110 Stockwerken und vier Bauten mit acht bis zehn Geschossen, der durch seine Ausmaße alle herkömmlichen Maßstäbe sprengt. Die beiden metallglänzenden Türme werden die heute schon imposante Skyline New Yorks majestätisch überragen.
Noch nie ist soviel Geld - das Baubudget erreicht die Summe von 575 Millionen Dollar - auf einer so kleinen Fläche verbaut worden.Bei einer vermietbaren Fläche von annähernd einer Million Quadratmeter werden über 50 000 Personen im World Trade Center arbeiten. Dazu werden je Tag schätzungsweise etwa 80 000 geschäftliche und touristische Besucher erwartet.
Allein die jährlichen Unterhaltskosten, Amortisationen und Gebäudesteuern erreichen einen Betrag von rund 60 Millionen Dollar.
Nach einem Baubeginn im August 1966 rechnet man bis zum Jahre 1973 mit der Fertigstellung des gesamten Gebäudekomplexes. Die gewaltige Bauaufgabe wird in Etappen realisiert, um einen größtmöglichen Nutzeffekt sowohl an Zeit, Material und Arbeitsleistung zu erreichen. Im Laufe des Jahres 1970 schon sollen die ersten 24 Stockwerke des Nordturmes bezogen werden können. Gegenwärtig werden in zwölf Arbeitstagen drei Stockwerke im Rohbau hochgeführt. Erst wenn die Zwillingstürme ihre volle Höhe erreicht haben, wird mit dem Bau der flachen Gebäude begonnen. Während der Hauptphasen des Baus werden rund 7000 Arbeiter am World Trade Center beschäftigt sein. Die gesamte Lohnsumme dieses beispiellosen Werks erreicht eine Höhe von über 200 Millionen Dollar.
Der Plan für den Bau eines Welthandelszentrums in Manhattan geht auf das Jahr 1960 zurück. Um die Kapazität und den Anreiz des New Yorker Geschäftszentrums zu erhöhen, beschlossen die Behörden der Staaten New York und New Jersey die Erstellung dieses außergewöhnlichen Bauwerks. Die Planung oblag der Hafenbehörde, der Port of New York Authority, welche bereits so umfassende Bauaufgaben wie den Kennedy-Flughafen und die Washington-Brücke realisiert hatte. Für das neue World Trade Center stand ein Baugelände von 76 200 m2im Herzen des Geschäftszentrums von Manhattan zur Verfügung. Dieser Standort, der seit jeher mit dem internationalen Handel eng verbunden ist, liegt im Zentrum eines sehr guten Verkehrssystems. Das dichte Netz der Vorort- und Untergrundbahnen sowie der Buslinien kommt sowohl den Unternehmen und Mitarbeitern als auch den Besuchern zugute. Dieses neue Zentrum ist ein Teil der allgemeinen Weiterentwicklung und Neugestaltung des ganzen Geschäftsviertels in der Nähe der Wall Street.
Mit der Ausarbeitung der architektonischen Konzeption wurden im Jahre 1962 die Architekten Minom Yamasaki & Ass. und Emery Roth & Sons betraut. Die beiden Architekten, welchen ein Team von Spezialisten zur Seite steht, haben bereits große Erfahrung im Bau von Wolkenkratzern in den USA. Der Bau erfolgt in Zusammenarbeit mit einem Generalunternehmer (Bild 1).
Jeder der Türme ruht auf Erdgeschoßhöhe auf einem Geviert von Stahlstützen im Abstand von 3 m. Diese reichen bis auf 12 m Höhe und teilen sich dort in drei schmale Stützen im Abstand von etwa 1 m, welche bis auf eine Höhe von fast 400 m die Fassade und gleichzeitig zusammen mit dem Gebäudekern das Haupttragsystem bilden. Die Eingangshallen unter den Zwillingstürmen stellen für die Architekten ein besonderes Gestaltungselement dar. Sie bilden einen harmonischen Abschluß des gewaltigen Gebäudes nach unten und sind zugleich ein Blickfang für den Besucher des World Trade Center.
Zu Füßen der beiden Türme breiten sich die drei acht- und ein zehngeschossiges Nebengebäude aus und umschließen einen weiten Platz. Der nordöstliche Trakt erstreckt sich auf eine Länge von 126 m und eine Breite von 90 m, während das südöstliche Nebengebäude einen rechteckigen Grundriß von 90 m Seitenlänge hat. 135 m lang und 75 m breit wird das neue Zollgebäude der USA den nordwestlichen Teil des Platzes abschließen. Viertes Gebäude schließlich ist ein zehngeschossiger Hotel- und Informationstrakt von 110 m Länge und 20 m Breite. Die Fassadengestaltung der Nebengebäude bildet mit den Betonelementen in dunkelgrau-braunem Farbton und den bronzefarbenen Mittelstützen eine ästhetische Ergänzung zu den glänzenden Metallfassaden der Turmgebäude.
Mit in den Neubau ist selbstverständlich auch die Neugestaltung der Verkehrsbeziehungen einbezogen. Damit verbunden ist eine unterirdische Neuanlage des Bahnhofes der Vorortbahnlinie zwischen den Staaten New York und New Jersey sowie von vier neuen Stationen der U-Bahnlinien. In den sechs Untergeschossen sind im weiteren neben den technischen Installationen des Zentrums auch Parkplätze für 2000 Autos und Nebenräume untergebracht.
Eine Besonderheit der architektonischen Konzeption ist die Unterteilung der Zwillingstürme in drei Verkehrseinheiten mit Umsteigehallen im 44. und 78. Stockwerk. Das erlaubt den Raum für die Liftschächte auf ein Minimum zu reduzieren. Auf diese Art können drei Lifts in einem Schacht betrieben werden, nämlich vom 1. bis zum 43., vom 44. bis zum 77. und vom 78. bis zum 110. Stockwerk. In einem Hochhaus werden nur drei Expreßlifts installiert, deren Kabinen 55 Personen fassen werden. Dank diesem neuartigen Liftsystem werden für die je 104 Lifts nur 13 0/5 der Fläche der Gebäude benötigt.
3. Bautechnische Konzeption
In einer Tiefe von etwa 25 m findet sich fester Manhattan-Granit. Auf diesem natürlichen Fundament ruht das Gewicht des 1 200 000-t-Gesamtprojektes.
Für die Abstützung der eine Grundfläche von 44 000 m2 aufweisenden Baugrube von 300 m Länge und 150 m Breite entschied man sich für eine Umschließungsmauer nach dem Schlitzwandsystem. Die genaue Überprüfung hatte gezeigt, daß die herkömmlichen Verfahren für diese außergewöhnliche Bauaufgabe aus technischen wie aus wirtschaftlichen Gründen nicht geeignet waren. Es ist dies das erste Mal, daß eine Bentonit-Schlitzwand in den USA Anwendung gefunden hat. Das erstaunt den europäischen Besucher, da dieses Verfahren hier schon seit einigen Jahren mit Erfolg angewendet wird. Die Baugrubenumschließung wurde in 152 Segmenten von 19,5 m Höhe, 6,6 m Breite und 0,9 m Dicke erstellt. Mit dem Ausheben der Schachtsegmente wurden Bentonit hineingepumpt und anschließend vorfabrizierte Armierungskörbe von 25 Mp Gewicht in den Schlitz gesenkt. Dann folgte das Ausbetonieren der einzelnen Segmente der Schlitzwand, wofür insgesamt rund 18 500 m3 Beton erforderlich waren.
Die auf diese Weise erstellte Baugrubenumschließungsmauer mußte mit Felsankern diagonal nach unten in den festen Fels verankert werden (Bild 2). Es fand dafür das System VSL der schweizerischen Firma Losinger & Co. AG, Bern, Anwendung. Für die insgesamt 1400 vorgespannten Felsanker wurden mittels Rotationsbohrungen die Felslöcher für den 10 m bis 12 m langen Haftteil der Ankern erstellt. Die Felsanker selbst bestehen aus 8 bis 24 Litzen mit einer Querschnittsfläche von 99 mm2 und einer Bruchlast von 18733 kp. Die Längen der in täglichen Serien von sieben bis acht Stück auf die Baustelle gelieferten Anker variieren von 12 m bis 35 m, und die Vorspannkräfte betrugen 95 Mp bis 280 Mp. Es wurde ein frühhochfester Zement mit einem Druck von 14 atü injiziert. Etwa vier Tage danach konnten die Anker gespannt werden.
Der Aushub der gewaltigen Baugrube erfolgte in fünf Stufen und wurde 1967 begonnen. Insgesamt wurden für das World Trade Center 765 000 m3 Schutt und Erde ausgehoben; damit dürfte dies die größte von Menschenhand geschaffene Baugrube sein. Mit diesem Material wurde am Ufer des Hudson, im Bereich der alten Hafenanlagen, eine Fläche von annähernd 10 ha aufgeschüttet. Dieses Neuland im Wert von 90 Millionen Dollar ging als Geschenk an die Stadt New York.
Während des Aushubes mußte zwei Vorortbahnlinien besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, welche in 7,5 m Tiefe in zwei Tunnelröhren die Baugrube durchqueren. Ihr Betrieb muß auch während der Bauarbeiten aufrechterhalten bleiben, bis die neuen U-Bahn-Stationen im World Trade Ceuter in Betrieb genommen werden können. Mit dem Abteufen der Baugrube wurden die beiden Tunnelröhren komplett freigelegt und ruhen auf einer besonderen Stützkonstruktion (Bild 3). Ein anderer hinderlicher Faktor sind die unzähligen Leitungen, die in Manhattan eine außergewöhnliche Dichte erreichen. So laufen parallel zu den U-Bahn-Tunnel beispielsweise wichtige Telefonkabel, ferner elektrische, Gas- und Wasserleitungen sowie Rohrpost- und Feuermeldeleitungen. Um den Aushub beginnen zu können, mußten alle diese Leitungen und Kabelstränge in einen eigens dafür ausgehobenen 20 m tiefen Kabelkanal verlegt werden.
In der Tiefe der Baugrube bilden Flächenfundamente, die auf dem festgewachsenen Fels anfliegen, die Basis des gesamten Gebäudekomplexes. Die Hochhausstützen ruhen auf Betonsockeln, die durch ein Gerippe von Stahlträgern untereinander verbunden sind. Dadurch wird eine gleichmäßige Gewichtsverteilung erzielt. Jede dieser Stützenlager ist 1,50 m hoch und erstreckt sich über eine Fläche von 7,5 m2. Auf diesem Fundament konnte der Bau der sechs Untergeschosse, die ebenfalls in Stahlkonstruktion ausgeführt sind, in Angriff genommen werden (siehe Bild 3). Mit dem Baufortschritt erfolgte die Aussteifung der Baugrube durch die Decken der Untergeschosse, und die Felsanker der Umschließungsmauer sind nicht mehr länger erforderlich.
Der Bau der Zwillingstürme erfolgt vom zentralen Gebäudekern mit den Maßen 41 m x 26 m aus (Bild 4). Der Gebäudekern besteht aus einer Stahlkonstruktion, deren größtes Stützenelement 11 m lang und 55 Mp schwer ist. Mit dem Gebäudekern, in dessen Ecken vier Kletterkrane installiert sind, wachsen die vier tragenden Außenwände mit einer Seitenlänge von 63,5 m empor. Die Außenwände setzen sich aus vorfabrizierten, sich versetzt ineinander fügenden Wandelementen zusammen. Ihre Stützen werden verschweißt und die horizontalen Randbalken miteinander verbunden. Die größten Außenwandelemente sind 22 Mp schwer, 3 m breit und 7,5 m bis 11 m hoch, das heißt, sie reichen über zwei bis drei Geschosse *2).
Mit dem Höherklimmen von Gebäudekern und Außenwänden werden die Deckenelemente jedes Geschosses versetzt. Es handelt sich dabei um vorfabrizierte Elemente von 18 m Länge, 5 m Breite und 0.8 m Höhe, die sich stützenfrei vom Kern zu den Außenwänden spannen. Tragende Konstruktion bilden stählerne Fachwerkträger (Bild 5). Diese sind oben mit einer verlorenen Stahlschalung versehen. Nach der Montage werden die Decken mit einer Ortbetonschicht und einem Bodenbelag, auf der Unterseite mit einer Deckenverkleidung versehen. Die Kanäle für die Klimatisierung und die elektrischen Installationen sind in den Elementen bereits eingebaut und die Anschlüsse ausgespart. Dank dieser stützenfreien Ausbildung ist eine größtmögliche Flexibilität der einzelnen Geschosse gewährleistet.
Die äußere Verkleidung der Außenwandstützen wird durch eine Aluminiumhaut gebildet. Vor deren Montage werden die Stahlsäulen mit einem feuersicheren Vermieulit-Mantel versehen (Bild 6). Anschließend erfolgt die Montage der Fenster in die 0,55 m breiten Zwischenräume zwischen den Stützen. Für die 43 600 Fenster der beiden Hochhaustürme wird ein bronzebeschichtetes, hitzeabsorbierendes Spezialglas verwendet. Große Probleme wirft die Reinigung der Fenster und Außenwände der Gebäude auf. Dafür wurde eine neuartige Waschanlage konstruiert, die auf Schienen an der Fassade herunterfährt und mittels einer rotierenden Bürste den Schmutz entfernt. Diese Maschine ist in der Lage, in einer Minute fünf Geschosse zu reinigen.
C. M. Mayer, Rüschlikon (Schweiz)
Fußnoten:
1) vgl. Schneider, H.-J.: Zwei 411 m hohe Hochhäuser. Der Stahlbau 33 (1964),
2) Vgl. hierzu: Schneider, II II.: Das John Hancock Center in Chicago. Der Stahlbau 38 (1969). H 5 S 150-154. Das John Hancock Center, dessen Planung später als die des World Trade Center begonnen und das trotzdem früher fertiggestellt wurde, besteht in seiner tragenden Konstruktion fast vollständig aus A 36 (in etwa St 37). Dagegen werden in den unteren Teilen der Außenstützen der Türme des World Trade Centers die teureren und hochfesten Baustähle T 1 und T 1 A verwendet. Die Innenstützen bestehen dagegen ebenfalls aus A 36. Über die damit zusammenhängenden Probleme ist in anderer Stelle 5) berichtet worden. Die jüngere Konzeption des John Hancock Centers gilt zur Zeit als wirtschaftlicher. Dem Leser sei ein Vergleich der beiden Bauwerke empfohlen (Hinweis der Schriftleitung)
Beitrag zum Bau des WTC aus "Der Stahlbau" 4/1970
Die Stahltürme für das Welthandelszentrum in Manhattan werden montiert
Copyright: http://www.bauen-mit-stahl.de/presse/WTC/20010926_01.html