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Warum die USA Afghanistan nicht verlassen werden

Die USA sind Bankrott und der amerikanische Traum zerstört? Der Investigativjournalist Pepe Escobar beschreibt, welche Rolle dabei US-Militärbasen und der Energie-Krieg in Afghanistan spielen – und wer davon profitiert.

Von Pepe Escobar, Übersetzung Lars Schall

Der 1954 geborene Pepe Escobar aus Sao Paulo, Brasilien ist einer der herausragendsten Journalisten unserer Zeit. Escobar, der vom früheren CIA-Analysten Ray McGovern schlichtweg “der Beste“ genannt wird, arbeitet für die Asia Times und ist ein Analyst von The Real News. Darüber hinaus ist er der Autor dreier Bücher: Globalistan: How the Globalized World is Dissolving into Liquid War, Red Zone Blues: a snapshot of Baghdad during the surge und Obama does Globalistan.

Er hat von verschiedenen Ländern und Konflikten berichtet, darunter Afghanistan, Pakistan, Irak, Iran, Zentralasien, U.S.A. und China. Für Asia Times Online ist er als ‘The Roving Eye’, das heißt: “Das Wandernde Auge“ unterwegs, um vor allem geopolitische Weltereignisse, aber auch die Art, wie sie in den Medien präsentiert werden, zu diskutieren. Diese Kolumne übersetzen wir mit freundlicher und ausdrücklicher Autorisierung von Pepe Escobar exklusiv für LarsSchall.com ins Deutsche.

Die heutige Übersetzung, “Warum die USA Afghanistan nicht verlassen werden“, erschien im englischen Original diesmal zuerst auf Al Jazeera.

Warum die USA Afghanistan nicht verlassen werden
von Pepe Escobar

Unter mehreren Schichten der Täuschung und des Neusprech vermag der offizielle Spin aus Washington bezüglich des strategische Sumpfs in Afghanistan einfach nicht standzuhalten.

Nicht mehr als “50-75 ‘al-Qaida-Typen’ in Afghanistan”, so die CIA, sind für die Trockenlegung der US-Regierung um nicht weniger als $10 Milliarden im Monat oder $120 Milliarden im Jahr verantwortlich.

panzer_afghanistanZugleich hat der scheidende US-Verteidigungsminister Robert Gates darauf bestanden, dass ein Abzug von Truppen aus Afghanistan “verfrüht” sei. Das Pentagon will das Weiße Haus “von der Beendigung der Afghanistan-Truppenaufstockung bis zum Herbst 2012 abhalten.”

Das wirft natürlich Schatten über die Tatsache, dass selbst wenn es eine vollständige Truppenabsenkung gäbe, das Endergebnis die gleiche Anzahl von US-Truppen vor der von der Obama-Regierung angeordneten AfPak-Truppenaufstockung wäre.

Und selbst wenn es irgendeine Art von Abzug gibt, wird es vor allem Auswirkungen auf Truppen in unterstützenden Rollen haben – die einfach durch “private Vertragsnehmer” (Euphemismus für Söldner) ersetzt werden können. Es gibt bereits mehr als 100.000 “private Vertragsnehmer” in Afghanistan.

Es regnet Billionen

Eine aktuelle detaillierte Studie des Eisenhower-Forschungsprojekts an der Brown University ergab, dass der Krieg gegen den Terror die US-Wirtschaft bislang $3.7 Billionen (die konservativste Schätzung) bis $4.4 Billionen (die moderate Schätzung) kostete. Dann gibt es noch Zinszahlungen auf diese Kosten – eine weitere Billion.

Das lässt die Gesamtkosten des Krieges gegen den Terror auf zumindest erstaunliche $5.4 Billionen belaufen. Und das beinhaltet nicht, wie der Bericht erwähnt, “zusätzliche makroökonomische Folgen der Kriegsausgaben” oder versprochene (und nicht zugestellte) $5.3 Milliarden an Wiederaufbauhilfen für Afghanistan.

Wer profitiert von dieser Goldgrube? Das ist ganz einfach – US-Militär-Vertragsnehmer und eine globalen Banken/Finanz-Elite.

Die Vorstellung, dass die US-Regierung $10 Milliarden pro Monat ausgeben würde, nur um ein paar “al-Qaida-Typen” am Hindukusch zu jagen, ist Unsinn.

Das Pentagon selbst hat diese Ansicht zurückgewiesen – darauf bestehend, dass der Fang und die Tötung von Osama bin Laden allein nichts an der Gleichung ändert; die Taliban sind immer noch eine Bedrohung.

Bei zahlreichen Gelegenheiten hat Taliban-Führer Mullah Omar selbst seinen Kampf als “nationalistische Bewegung” charakterisiert. Abgesehen von der historischen Bilanz, die zeigt, dass Washington nationalistische Bewegungen stets fürchtet und bekämpft, zeigt Omars Kommentar auch, dass die Taliban-Strategie nichts mit dem al-Qaida-Ziel der Errichtung eines Kalifats über einen globalen Dschihad zu tun hat.

Al-Qaida ist also nicht der größte Feind – nicht mehr, noch ist sie es seit geraumer Zeit gewesen. Dies ist ein Krieg zwischen einer Supermacht und einer leidenschaftlichen, nationalistischen, überwiegend paschtunischen Bewegung – von der die Taliban ein wichtiger Strang sind. Unabhängig von ihrem mittelalterlichen Gepflogenheiten, bekämpfen sie eine fremde Besatzung und tun, was sie können, um ein Marionettenregime zu untergraben (das von Hamid Karzai).

Schau auf mein Konkurs-Modell

In dem berühmten Video vom 1. November 2004, das eine entscheidende Rolle bei der Sicherung der Wiederwahl von George W. Bush spielte, sprach Osama bin Laden – oder ein Klon von Osama bin Laden – wieder einmal davon, wie die “Mudschahidin Russland 10 Jahren lang bluten ließen, bis es Bankrott ging und gezwungen wurde, mit einer Niederlage abzuziehen.”

Das ist die exakt gleiche Strategie, die al-Qaida gegen die USA eingesetzt hat. Laut bin Laden zu dieser Zeit: “Alles, was wir tun müssen, ist zwei Mudschahidin zum entferntesten Punkt im Osten zu schicken, um ein Stück Stoff hochzuhalten, auf dem al-Qaida geschrieben steht, damit die Generäle veranlasst werden, dort hinzurennen, um für Amerika menschliche, wirtschaftliche und politische Verluste zu verursachen, ohne dass sie dafür irgendetwas Bemerkenswertes erreichen, außer ein paar Vorteile für ihre privaten Unternehmen.”

Die Bilanz seit 9/11 zeigt, dass dies genau das ist, was passiert ist. Der Krieg gegen den Terror hat das US-Finanzministerium völlig erschöpft – bis zu dem Punkt, dass das Weiße Haus und der Kongress nunmehr in einen titanischen Zweikampf über eine $4 Billionen Schuldenobergrenze versunken sind.

Was nie erwähnt wird ist, dass diese Billionen von Dollar rücksichtslos dem Wohlergehen der Durchschnitts-Amerikaner entzogen wurden – den sorgfältig konstruierten Mythos des amerikanischen Traums zerschlagend.

Was also ist das Endspiel für diese Billionen Dollar?

Die Full-Spectrum-Dominance-Doktrin des Pentagon beinhaltet ein globales Netzwerk von Militärbasen – mit besonderer Bedeutung derer, die die wichtigsten Konkurrenten Russland und China umgeben und in Schach halten.

Diese Supermacht-Projektion – für die Afghanistan am Schnittpunkt von Süd- und Zentralasien ein entscheidender Knotenpunkt war und bleibt – führte zum Krieg im Irak und wird vielleicht noch zu weiteren Kriegen im Iran und in Syrien führen.

Das Netz der US-Militärbasen im vom Pentagon so bezeichneten “Bogen der Instabilität”, der sich vom Mittelmeerraum über den Persischen Golf bis nach Süd- und Zentralasien erstreckt, ist ein wesentlicher Grund des Verbleibs in Afghanistan für immer.

Aber es ist nicht der einzige Grund.

Truppenaufstockung, Bestechung und bleiben

Es kommt alles wieder einmal zurück zu Pipelineistan – und einem seiner herausragenden Chimären: die Turkmenistan / Afghanistan / Pakistan (TAP)-Gas-Pipeline, einstmals auch als die Trans-Afghanistan-Pipeline bekannt, die vielleicht eines Tages zu TAPI wird, wenn Indien beschließt, an Bord zu sein.

Die US-Medienkonzerne weigern sich einfach, eine der wichtigsten Geschichten des frühen 21. Jahrhunderts zu berichten.

Washington wollte TAP unbedingt seit Mitte der 1990er Jahre realisiert haben, als die Clinton-Regierung mit den Taliban verhandelte. Die Gespräche scheiterten aufgrund von Transit-Gebühren noch vor 9/11, als die Bush-Regierung beschloss, die Rhetorik von “einem Teppich von Gold” hin zu “einem Teppich von Bomben” zu ändern.

TAP ist ein klassischer Pipelineistan-Schachzug: ein von den USA unterstützter Fluss von Gas aus Zentralasien zu den globalen Märkten unter Umgehung sowohl von Iran als auch von Russland. Wenn er jemals gebaut wird, kostet er mehr als $10 Milliarden.

Er benötigt ein völlig befriedetes Afghanistan – noch so eine Chimäre – und eine absolut an Afghanistans Sicherheit beteiligte pakistanische Regierung – was immer noch ein Tabu ist, solange Islamabads Politik die ist, Afghanistan als “strategische Tiefe” zu benutzen: als einen Vasallenstaat in einer langfristigen Konfrontations-Denkweise gegen Indien.

Es ist keine Überraschung, dass das Pentagon und die pakistanische Armee eine so enge Arbeitsbeziehung unterhalten. Sowohl Washington als auch Islamabad erachten paschtunischen Nationalismus als eine existenzielle Bedrohung.

Die 2.500-Kilometer lange, poröse und umstrittene Grenze zu Afghanistan ist der Kern der pakistanischen Einmischung in die Angelegenheiten seines Nachbarn.

Washington wird immer verzweifelter, weil es weiß, dass das pakistanische Militär stets die Taliban sowie streng islamistische Gruppen unterstützen wird, die Indien bekämpfen. Washington weiß auch, dass Pakistans Afghanistan-Politik bedeutet, den indischen Einfluss in Afghanistan um jeden Preis einzudämmen.

Fragen Sie einfach mal General Ashfaq Parvez Kayani, Pakistans Armeechef – und ein Pentagon-Liebling, um Fußtritte zu geben; er sagt immer, dass seine Armee Indien-zentriert ist und daher “strategische Tiefe” in Afghanistan beanspruchend.

Es ist irrsinnig, dass 10 Jahre und $5.4 Billionen später die Situation genau dieselbe ist. Washington will immer noch dringend “seine” Pipeline – die tatsächlich vor allem für Rohstoffhändler, globale Finanz-Majors und westliche Energieriesen ein gewonnenes Spiel wäre.

Aus Sicht dieser Eliten ist das ideale Endspiel-Szenario, dass ein globaler Robocop namens NATO – unterstützt durch Hunderttausende von Söldner – TAP (oder TAPI) “beschützt“, während er 24 Stunden und 7 Tage die Woche einen Blick auf das wirft, was bei den Nachbarn Russland und China los ist.

Scharfsinnige Geister in Indien haben Washingtons gewundene Bewegungen in Afghanistan als “Truppenaufstockung, Bestechung und davonlaufen” beschrieben. Es ist eher “Truppenaufstockung, Bestechung und bleiben”. Diese ganze Geschichte hätte erreicht werden können, ohne dass sich eine Supermacht in den Bankrott treibt, und ohne immense, grausame, anhaltende Verluste von Menschenleben, aber hey – niemand ist perfekt.


Mit freundlicher genehmigung von lars Schall. Quelle der Erstveröffentlichung:

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