Transkript der DVD: Daniel Hopsicker: Mohamed Atta and the Venice Flying Circus
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Hallo, mein Name ist Daniel Hopsicker. Willkommen bei Mohamed Atta and the Venice Flying Circus.
Ich stehe vor dem Flugplatz in Venice, Florida. Hier in Florida wird derzeit offensichtlich alles darangesetzt zu vertuschen, was
sich vor dem 11. September auf diesen Start- und Landebahnen abgespielt hat.
Man belügt uns über die Art der Verschwörung, die zur Zerstörung des World Trade Center geführt hat, wir werden
belogen vom FBI und von unserem Präsidenten. Belogen auch von unseren Medien. Beispielsweise beginnt der Dokumentarfilm des PBS über den 11. September mit diesem Satz:
»Neunzehn Hijacker reisten unbemerkt durch Europa und die Vereinigten Staaten.«
Wer's glaubt, wird selig.
In der Eingangshalle der CIA-Zentrale in McLean, Virginia, steht der Wahlspruch: »Du sollst die Wahrheit wissen, und die Wahrheit wird dich frei machen.«
Dies ist die Geschichte der Legenden. Die Legende eines Menschen ist seine Tarnung, die Lüge, die so lange Bestand hat,
dass er damit durchkommt. Die Legende von Rudi Dekkers als Betreiber einer Flugschule und von Mohammed Atta als
fanatischem Islamisten ist seit dem Anschlag auf das World Trade Center immer fadenscheiniger geworden. Aber bei dem, was Sie hier sehen, wird sich Ihnen die gleiche Frage aufdrängen, die wir gestellt haben:
»Wer sind diese Typen?«
In diesem Film werden einige wichtige Augenzeugen des 11. September zu Wort kommen ‒ Augenzeugen nicht der
Terrorangriffe auf das World Trade Center selbst, sondern des Vorspiels zu der Tragödie, dem Verschwörungsprozess in Florida, der vor zwei Jahren einen massiven Zustrom arabischer Flugschüler zur Folge hatte.
ZEUGE (seit fünfzehn Jahren Pilot in dieser Region):
- Ich bin oft mit den Leuten essen gegangen, und manche von ihnen sprachen kaum englisch. Manche kamen aus
- Liberia, äh, Libyen, aus verschiedenen Ländern des Nahen Ostens, nehme ich an. Diese Sorte Flugschüler hatten wir erst in letzter Zeit Sie werden außerdem feststellen, dass sich Mohammed und seine Kumpels oft wie Figuren aus Miami Vice benahmen.
RENE ADORNA:
- Sie waren laut, machten Bemerkungen, hauten mit der Hand auf den Tisch, hier geht es um 200.000 Dollar; wir sind der Familie Rechenschaft schuldig. Ich dachte gleich an die Mafia. Und Sie werden überdies erfahren, dass der Flugschulbetreiber
- Rudi Dekkers, der Mann, dem dieser massive Zustrom hauptsächlich zu verdanken ist, nicht der ist, der zu sein er vorgibt.
TOM HAMMERSLEY:
- Ich habe nur gehört, dass er einen Hintermann in Naples hat, der ihn finanziell absicherte,
- dass das Geld, mit dem er gewissermaßen herumprotzte, gar nicht sein Geld war. Er war nur der Strohmann für
- den Kerl, der das Geld hatte.
Um der Wahrheit auf den Grund zu gehen, müssen wir uns in ein überraschendes und bis vor kurzem wenig bekanntes Zentrum der Intrige begeben, einen öffentlich zugänglichen, towerlosen Flughafen für einen Jetset international agierender Spione, Gauner, Schurken und Terroristen, angesiedelt in unmittelbarer Nachbarschaft einer Gemeinde von Rentnern, die erpicht darauf
sind, auf dem Golfplatz den Sondertarif für Frühaufsteher zu ergattern.
Willkommen also in Venice, einer kleinen Rentnergemeinde an der Golfküste Floridas. Wie die meisten Städte hat Venice ein paar
Besonderheiten vorzuweisen. Beispielsweise preist sich das Städtchen selbst als die Welthauptstadt der Haifischzähne an, und
der Altersdurchschnitt seiner Einwohner ist der zweithöchste in den Vereinigten Staaten.
Aber genau genommen ist es einfach ein nettes, wohltuend normales Städtchen. Abgesehen davon, dass arabische Terroristen
dutzendweise hierher kamen, um fliegen zu lernen. Mohammed Atta, Pilot der Maschine, die in den ersten Turm krachte, hat hier
fliegen gelernt. Marwan Al-Shehhi, der eine halbe Stunde später in den zweiten Turm krachte, hat auch hier fliegen gelernt.
Desgleichen Ziad Jarrah, Pilot des Flugzeugs, das in Pennsylvania abstürzte. Also drei von vieren. Darüber hinaus der meistgesuchte noch lebende Terrorist aus dem Hamburger Kader, Ramzi Binalshibh.
Was führte sie hierher?
Warum werden gesunde junge Männer magisch angezogen von irgendeiner Rentnergemeinde, in der die Strandschönheiten, sofern es sie gibt, längst vergangene, ruhigere Tage in Erinnerung rufen?
Man kommt ins Grübeln, schließlich sind wir hier nicht in Hamburg.
Wieso wurde Venice, Florida, zum wichtigsten Schauplatz des Verbrechens vom 11. September, der nicht in Schutt und Asche
gelegt wurde?
Wurden die Männer hierher geschickt? Handelten sie in einem Auftrag? Wer war dieser Mohammed Atta überhaupt?
Fundamentalistischer Islamist, Rädelsführer einer terroristischen Vereinigung, Rattenfänger für Terrorpiloten? Oder vielleicht ein
arabischer Spion oder Doppelagent, wie wäre es damit?
Rene Adorna und ihr Mann Tom sind Inhaber und Betreiber des Pelican Alley. Als einen Tag nach dem 11. September Reporter in
dem Lokal aufkreuzten, wussten sie sofort, warum sie gekommen waren.
RENE ADORNA:
- Kurz nachdem es passiert war, kamen Zeitungsleute hierher, und jemand sagte: »Oh, da draußen ist ein Reporter«, und ich wusste augenblicklich, warum er gekommen war, weil ich mich an den Tisch erinnern konnte. Tommy wusste Bescheid, Jeff wusste Bescheid, und dann hat er nicht mal..., er hat uns nur ein Foto gezeigt, und wir wussten sofort Bescheid. Sie waren zu dritt. Und sie sahen irgendwie alle wie Ägypter aus, also dunkelhäutig, dunkelhaarig, eine Menge Schmuck, jede Menge Schmuck. Sie hatten so Floridahemden an, so buntgemusterte Seidenhemden, wissen Sie, all so was, und ich hätte schwören können, dass da ein Kreuz war, der eine Typ hatte so ein großes Kreuz, so ein protziges Goldkreuz, dachte ich jedenfalls, aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, wissen Sie, aber ich weiß, dass er so eine große Uhr anhatte.
DANIEL HOPSICKER:
- Haben Sie alle drei auf den Fotos, die man Ihnen gezeigt hat, erkannt?
RENE ADORNA:
- Ich habe nur einen erkannt, diesen... Atta.
DANIEL HOPSICKER:
- Sie meinen den mit dem finsteren Blick?
RENE ADORNA:
- Genau. Er hat kaum ein Wort mit mir gesprochen, aber als ich hinkam, dachte ich irgendwie,
- herrje, was hat der für ein Problem, weil er die ganze Zeit diesen echt fiesen Blick drauf hatte, als wäre er total
- unzufrieden. Er hat eigentlich gar nichts gesagt. Dann war da noch der andere Typ, der größere, breiter
- gebaute, der hat es übernommen, mit mir zu reden. Er war sehr offen, geradezu liebenswürdig.
DANIEL HOPSICKER:
- Und mit wem hat Atta debattiert?
RENE ADORNA:
- Mit dem großen Kerl, und er, der Große also, hat den anderen Typen angeschrien.
DANIEL HOPSICKER:
Und Atta und sein Freund haben nicht gerade über die korrekte Auslegung des Korans debattiert.
RENE ADORNA:
Sie waren laut, machten Bemerkungen, hauten mit der Hand auf den Tisch und so. Hier geht es um 200.000 Dollar; wir sind der Familie Rechenschaft schuldig. Ich dachte an die Mafia. Wenn ich vorbei musste, habe ich einen Bogen um den Tisch gemacht, und dann bin ich zum Manager gegangen und habe gesagt: »Behalt den Tisch lieber im Auge, die Typen könnten
Ärger machen.«
TOM ADORNA:
Rene kam ins Büro und sagte, draußen wären drei Herren, die sehr laut würden und sich in die Haare gerieten, und sie hätte Angst, das Ganze würde eskalieren, darum holte sie mich, und ich ging mit ihr raus. Sie saßen genau hier. Sie saßen so, dass der eine auf der einen und der andere auf der anderen Seite des Tischs saßen, und der große Typ, der saß nicht mal in der
Nische drin. Er saß auf einem Stuhl vor der Nische, er war ein ziemlich großer, kräftiger Typ, und er führte meist das Wort. Er redete ständig auf sie ein, es ging um Geld, wir hörten dauernd was von Geld. Der andere, ich glaube, das war der Chef. Er sagte kein Wort, er saß einfach nur da mit seinem komischen Blick und sagte nichts.
DANIEL HOPSICKER:
Hatten Sie Besuch vom FBI?
TOM ADORNA:
Nein, nur von zwei Zeitungen. Das war alles. Und sie waren hier in der Straße am Haus. Das Haus, das sie gemietet hatten, war hier ganz in der Nähe in dieser Straße. Und sie kamen kein einziges Mal zu uns.
DANIEL HOPSICKER:
Hat das FBI mit Ihnen geredet?
RENE ADORNA:
Nein, nur die Zeitungsleute. Ich fand das komisch. Ich dachte, sie würden vielleicht ein paar Dinge wissen wollen, aber vielleicht hatten sie alle Informationen, die sie brauchten.
Das FBI hat die Untersuchungen zur Katastrophe vom 11. September nie abgeschlossen. Sie wurden auf Veranlassung von
Präsident Bush eingestellt, weil, wie er sagte, Leute für die Arbeit an den Anthrax-Anschlägen freigestellt werden sollten. Die Anthrax- Geschichte liegt jetzt hinter uns. Und 3000 Tote fordern uns auf, die Wahrheit aufzudecken, herauszufinden, warum sie am 11. September des Jahres 2001 sterben mussten.
Und die Suche nach dieser Wahrheit ist es, die uns an diesen Ort geführt hat, wo Mohammed Atta vor knapp achtzehn Monaten dem Venice Flying Circus beigetreten ist.
Nach einem ersten Blick in das Privatleben einiger kaltblütiger Mörder wollten wir sehr viel mehr wissen. Die nahe liegende Frage
ist natürlich: Was sind das für fanatische Islamisten, die Seidenhemden und schwere Golduhren tragen? Und wichtiger
noch: Wer oder was ist die Familie?
Das FBI hat es geschafft, in dem Haus vorbeizuschauen, das Mohammed Atta und Marwan Al-Shehhi in der Nachbarschaft des
Pelican Alley gemietet hatten. Es gehört diesem Mann, Steve Kona, einem Feuerwehrmann aus Venice.
STEVE KONA:
Sie fuhren direkt zu dem gemieteten Haus. Ich glaube, das FBI tauchte ein paar Tage später auf. Ich mähe dort nur im Sommer den Rasen, und sie regelten die monatlichen Mietzahlungen über den Makler, aber ich habe sie ein paar Mal gesehen, wenn ich
zum Mähen drüben war.
Mohammed Atta vermied offenbar weitgehend jeden Kontakt.
STEVE KONA:
Ja, er hielt sich irgendwie sehr für sich. Sein Cousin, was ich mir überhaupt nicht vorstellen kann, mit dem habe ich ein paar Mal geredet. Er war nett, aber Mohammed Atta, nein, mit dem habe ich in den sechs Monaten, die er hier gewohnt hat, nie ein Wort
gesprochen. Der Vermieter der Terroristen nennt eindeutig die Zeitspanne, in der sie das Haus gemietet hatten ‒ von Juli bis Ende Dezember im Jahr vor den Anschlägen.
STEVE KONA: Sie mieteten es nur für sechs Monate,
ungefähr die Zeit, die sie für ihren Flugunterricht
brauchten. Und dann verschwanden sie wieder. Ich hatte
ja nichts mit ihnen zu tun, darum weiß ich auch nicht, wo
sie sich danach aufhielten. Aber ich hatte sie so
verstanden, dass sie vorhatten, wieder in ihre Heimat
zurückzugehen. Ich dachte, sie wären nur wegen der
Pilotenausbildung hier und würden dann wieder nach
Hause zurückkehren.
Wir haben gerade von Augenzeugen erfahren, dass sie nur einen
Monat vor dem 11. September in einem Restaurant in Venice
gesehen wurden. Der zeitliche Ablauf passt nicht. Denn wenn das
FBI erklärt, wo sich die Terroristen in den letzten neun Monaten der
Verschwörung in diesem Land aufhielten, fällt niemals das Wort
Venice. Gab es etwas in Venice, das wir nicht wissen sollten?
Brenda Cover arbeitet in der Feinkostabteilung dieses
Supermarkts, eine Meile vom Flugplatz entfernt. Sie sagt, dass die
Terroristen nur eine Woche vor den Anschlägen noch in Venice
waren.
BRENDA COVER: Am 11. September telefonierte ich mit
meiner Schwiegermutter, als die Türme getroffen
wurden. Sie zeigten Fotos von drei Männern im
Fernsehen, und Atta war einer von ihnen. Ich erkannte
die Gesichter auf Anhieb und sagte zu meinem Mann:
»Mein Gott, das sind die drei. Sie waren erst vor einer
Woche im Laden.« Eine Woche vor den Anschlägen
waren sie im Laden. Sie haben Sandwiches gekauft.
Mit wem trafen sie sich? Warum waren sie hier? Offiziellen
Verlautbarungen zufolge war es reiner Zufall, dass sich Mohammed
Attas terroristischer Kader in Venice aufhielt. Ist das wirklich wahr?
Auch diesmal wurde Attas finstere Ausstrahlung ausdrücklich
erwähnt.
BRENDA COVER: Die Art, wie sie einen einfach nur
anstarrten, gefiel mir nicht. Es wäre etwas anderes
gewesen, wenn sie mit einem geredet hätten wie mit
einem normalen Menschen, also hallo, wie geht's denn
so, und so etwas. Aber er stand einfach da und starrte
einen böse mit seinen dunklen Augen an, als wäre man
selbst der Fiesling. Als wollte er einem an die Gurgel
oder so. Man konnte richtig Angst kriegen, so unheimlich
war das, wie einer, dem man im Dunkeln nicht allein auf
einem Parkplatz begegnen möchte.
Wir haben Brenda gefragt, wann ihr zum ersten Mal auffiel, dass so
viele arabische Flugschüler nach Venice gekommen waren.
BRENDA COVER: Ungefähr vor einem Jahr. Vor einem
Jahr etwa.
War es wirklich nur Zufall, dass so viele junge Araber
gleichzeitig nach Venice kamen, um Flugunterricht zu nehmen?
Denn wenn nicht, ging in Venice, Florida, etwas anderes vor; etwas,
das vom FBI geflissentlich übersehen wird.
Zwischen Venice und Miami Vice liegen Welten. Für Atta und
seinen arabischen Kader schien die Ostküste Floridas, ein Ort der
Intrigen nach Casablanca-Art mit Schickerialokalen voller
superschlanker europäischer Models, wie geschaffen. Hier würde
selbst Osama Bin Laden einen Flugzeughändler finden, der ihm
einen US-Jet-Flugsimulator verkaufen würde.
Dies ist der Executive Airport in Fort Lauderdale, bekannt als ein
sicherer Hafen für Luftpiraten. Diese Firma beispielsweise operierte
von dem berüchtigten Flugplatz Mena, Arkansas, aus, der in den
achtziger Jahren als reger Drogenumschlagplatz fungierte. Wenige
Straßenzüge von diesem Flugplatz entfernt mietete Mohammed
Atta für den Monat, der der letzte seines Lebens sein sollte, einen
Wagen. Erstaunlicherweise benutzte er ihn, um nach Venice
zurückzukehren. Wie wir im offiziellen Bericht des FBI gesehen
haben, taucht der Ort Venice in den letzten Tagen der Geschichte
von Mohammed Atta nicht auf. Aber Mohammed Atta und
Marwan Al-Shehhi fuhren mit den Autos, die sie hier in diesem
Büro hinter mir gemietet haben, zwei Mal nach Venice.
BRAD WARRICK: Sie mieteten über drei verschiedene
Verträge zwei Wagen für insgesamt fünf Wochen. Sie
holten das Auto gegen Büroschluss ab, und das sollte für
zwei Wochen sein, er sagte mir, er brauchte es zwei
Wochen. Und er sagte, er müsste damit zur Westküste
Floridas fahren, und wollte wissen, ob das ein Problem
wäre.
In diesem unscheinbaren Gebäude in Pompano Beach, Florida,
erhielten wir die Bestätigung, dass Atta zwei der drei letzten
Wochen seines Lebens in Venice verbracht hatte.
BRAD WARRICK: Als er diese zwei Wochen in Venice
war, rief er mich von dort aus an, ich sah das, weil mein
Display den Anrufer anzeigt. Na toll, dachte ich. Jetzt
habe ich ein kaputtes Auto drüben an der Westküste von
Florida. Dabei hat er nur angerufen, weil das
Servicelämpchen aufgeleuchtet hat.
Bei seiner Befragung durch das FBI erfuhr Warrick einige ihm noch
nicht bekannte Einzelheiten über die Angriffe.
BRAD WARRICK: Naja, Marwan hätte das Gebäude fast
verfehlt. Die FBI-Leute sagten, er, Marwan, ist 100mph
schneller geflogen als Atta, und deshalb ist er an einer
tieferen Stelle des Gebäudes aufgeprallt, weshalb dieses
Gebäude als Erstes eingestürzt ist, weil tiefer im Gebäude
so viel Treibstoff war. Aber sie haben außerdem erklärt,
dass Atta ganz cool war, völlig ruhig und auf sein Ziel
konzentriert ‒ und Treffer ... Marwan dagegen, zehn
Jahre jünger, hatte Todesangst und flog unkonzentriert,
und in der letzten Minute hätte er, wie ich schon sagte,
das Gebäude beinah verfehlt.
Etliche Punkte in Warricks Bericht stimmen nicht mit der offiziellen
Geschichte überein. Angeblich war Atta im Sommer vor den
Anschlägen zum ersten Mal in den USA, was kaum ausreicht, um
akzentfrei englisch zu sprechen.
DANIEL HOPSICKER: Wie war ihr Englisch?
BRAD WARRICK: Beide sprachen sehr gut. Sehr gut. Ich
war überzeugt, dass sie schon ewig im Land waren.
Wo und wann lernte Mohammed Atta so gut Englisch, als hätte er
ein Leben lang hier gelebt? Wohin wir uns auch wandten, bekamen
wir widersprüchliche Informationen.
BRAD WARRICK: Mohammed achtete sehr auf seine
Kleidung. Also, er trug schicke Hosen und Hemden. Sehr
geschäftsmäßig. Schicke Klamotten, wie ein
Geschäftsmann. Er trug einen Aktenkoffer bei sich und
hatte alle notwendigen Papiere. Wenn wir einen Wagen
vermieten, muss der Kunde Kreditkarte, Führerschein
und Versicherungsnachweis vorlegen, und er hatte alles,
alles stimmte überein. Er war bei der Allstate-
Versicherung. Die Adresse auf seinem Versicherungsschein
war die gleiche wie auf dem Führerschein. Er war
der perfekte Kunde.
Warrick wundert sich immer noch über bestimmte Widersprüche
im Verhalten der Terroristen. Auch hier wieder Ungereimtheiten.
BRAD WARRICK: Wenn sie einen Selbstmordanschlag
planten, wussten sie, dass sie in ein paar Tagen weg vom
Fenster sein würden. Warum soll sich einer die Mühe
machen, zwei Tage vorher den Wagen zurückzubringen,
wenn er, sagen wir, in Fort Lauderdale einen Flug
Richtung Norden kriegen muss? Warum lässt er den
Wagen nicht einfach am Flugplatz stehen? Für mich
war's egal. Wir hatten doch einen unterschriebenen
Kreditkartenbeleg. Wir hätten den Betrag über die
Kreditkarte abrechnen können, und er hätte sich die
Umstände erspart. Warum hätte er sich Gedanken darum
machen sollen? Sie machten sich die Mühe, das Auto
hierher zurückzubringen. Und für den letzten Vertrag
hatten wir einen unterschriebenen Beleg für Mohammeds
Kreditkarte. Und Marwan sagte, nein, setzen Sie's nicht
auf seine Kreditkarte, hier, nehmen Sie meine. Naja,
wenn wir den Betrag von der Kreditkarte eines anderen
abbuchen, muss derjenige mit in dem Vertrag stehen. Das
heißt, er musste seinen Führerschein vorlegen und alles
unterschreiben. Kein Problem. Er gab uns seinen
Führerschein, unterschrieb die Papiere und zeriss
Mohammeds Kreditkartenbeleg. Setzte alles auf Marwan.
Also, was soll ... was macht es für einen Unterschied;
wenn man ohnehin in ein paar Tagen tot ist?
Auch Warrick fiel der Zustrom verdächtiger Personen auf.
BRAD WARRICK: Ich hatte ihnen alle möglichen Namen
gegeben, weil in diesem letzten Jahr eine Menge Leute
hier waren, und nach dem 11.9. fragte ich, was ist damit,
erinnerst du dich an diesen Kunden, oder was ist mit
diesem Kunden. Drei junge Typen, die in den drei
Monaten vor dem 11. September bei mir einen Wagen
gemietet hatten. Und für mich passen sie zu dem, was
Mohammed vorhatte. Warum ich, warum sollten sie 900
Dollar im Monat für ein Mietauto von mir ausgeben?
Was hatten sie wohl vor? Warum waren sie hier?
Wie fast alles, was mit dem 11. September im Zusammenhang steht,
hat auch Bradley Warricks Geschichte einen Haken. Wir fragten ihn,
woher Mohammed Atta die Adresse seiner winzigen Firma hatte.
BRAD WARRICK: Naja, wohl aus dem Telefonbuch.
Aber Warrick steht nicht im örtlichen Branchenverzeichnis. Auch
das ein Widerspruch. Und auch im Handelsregister von Florida ist
seine Firma nicht zu finden. Wir fanden heraus, dass er
Steuerschulden hatte. Vielleicht waren wir deshalb so überrascht,
als er uns sagte, dass er schon früher mit dem FBI zu tun hatte.
In den letzten sechs Wochen seines Lebens kehrte der Terroristenboss
Mohammed Atta den aufregenderen Bezirken von Miami
den Rücken und fuhr zum anderen Ende des Staates in ein
Rentnerstädtchen mit der zweitältesten Einwohnerschaft der
gesamten Vereinigten Staaten ‒ Venice. Hatte Mohammed Atta
insgeheim mehr für Witwen mit blaustichigen Dauerwellen übrig
als für langbeinige europäische Models? Es würde uns sehr
wundern, wenn es so wäre.
Atta verkehrte regelmäßig in diesem Striplokal in Sarasota, das
passenderweise direkt neben einer Hunderennbahn liegt. Hier
erfreute sich Mohammed Atta, ein junger Mann mit Geld im Überfluss,
sehr unislamischer Tanzeinlagen. Desgleichen in Lokalen wie
dem Pink Pony Strip Club in Daytona Beach und dem Olympic
Garden, einem heruntergekommenen Laden am schäbigeren Ende
des Strips in Las Vegas. Fundamentalisten müssten eigentlich die
Nase rümpfen über einen, der 20-Dollar-Scheine in die Slips von
Stripperinnen steckt, finden Sie nicht? Aber es ging nicht nur um
anrüchige Striplokale. Wenn er nicht gerade Ungläubige befingerte,
hatte Atta durchaus auch Sinn fürs Feine. Beispielsweise in Harry's
Bar in New York herumzuhängen, wo sein Stammplatz ein Tisch
neben dem Piano war. Wir können uns vielleicht vorstellen, dass ein
arabischer Spion eine Vorliebe für einen Tisch beim Piano hat, aber
ein islamischer Fundamentalist?
Drei Tage vor den Anschlägen wurden Mohammed Atta und
Marwan Al-Shehhi abends zusammen in dieser Bar in Fort Lauderdale
gesehen. Ihr Trinkgelage machte im Handumdrehen die
Runde. Das FBI faxte dem Geschäftsführer Tony Amos und der
Barfrau Patricia Idrissi Fotos von den Terroristen, die tags zuvor
zwei Flugzeuge ins World Trade Center gelenkt hatten. Wir haben
beide Männer wiedererkannt, sagte Amos. Atta trank drei Stunden
am Stück Stoli-Wodka, erinnerte sich die Barfrau. Marwan Al-
Shehhi trank Rum. Sie waren sehr unhöflich, erklärte sie. Sie
wollten die Rechnung nicht bezahlen. Gefragt, ob sie sich die
Barrechnung über 48 Dollar leisten könnten, zückte Atta ein dickes
Geldbündel. Mohammed sagte, er arbeite für American Alrlines
und könne die Rechnung bezahlen, erzählte sie vor Reportern. Der
Typ, Mohammed, sei betrunken gewesen, sagte Amos.
Eine Woche später änderte Amos seine Geschichte. Mohammed
Atta habe an jenem Abend in der Shackum's Bar nichts Stärkeres als
Preiselbeersaft getrunken, behauptete der Geschäftsführer Tony
Amos plötzlich. Und er habe ganz allein da gesessen. Sehen Sie sich
dieses Bild an. Glauben Sie, dass der Geschäftsführer seine
Geschichte änderte, weil er Atta mit jemandem verwechselt hatte?
Wir wollten ihn selbst fragen, aber als wir hinkamen, arbeiteten er
und die Barfrau Idrissi nicht mehr dort. Die neue Barfrau deutete an
‒ bevor ihr klar wurde, dass sie zu viel gesagt hatte ‒, dass beider
Verschwinden etwas mit dem 11.9. zu tun hatte.
Für einen Mann mit Attas Vorliebe für den Jetset muss das Leben
in Venice die Hölle gewesen sein. Atta muss sauer gewesen sein.
Kein Wunder, dass sich alle über seine schlechten Manieren
ausgelassen haben. Aber war er aus freien Stücken in Venice?
Warum kamen Mohammed Atta und so viele andere Akteure des
11.9 hierher? Die drei Besuche in Venice in den letzten sechs
Wochen seines Lebens müssen geschäftliche Gründe gehabt haben.
Mit wem traf er sich hier?
Beamte der örtlichen Polizeibehörden deuteten uns gegenüber
an, dass sie das auch gern wüssten. Und an diesem Punkt führte uns
unsere Suche zu diesem Mann, Rudi Dekkers, Betreiber einer
Flugschule und verantwortlich dafür, dass vor zwei Jahren
buchstäblich Hunderte von arabischen Flugschülern nach Venice
kamen.
Die zentrale Frage in unserer Geschichte, der Tragödie des 11.
September, würde demnach lauten: Bewegten sich diese arabischen
Männer so unbeschwert an der Golfküste von Florida, als hätten sie
ihr Leben lang Tom-Petty-Platten gehört? Oder stand hinter ihnen
ein weltweit operierendes Netzwerk? Wenn das zutrifft, müsste
man sich als erstes in Rudi Dekkers' Flugschule umsehen.
In der Zeit nach der Tragödie war Rudi Dekkers überall im
Fernsehen als harmloser Geschäftsmann präsent, als ahnungsloses
Opfer von Leuten, die zu den schlimmsten Verbrechern der
Kriminalgeschichte gehörten. Aber ist er das wirklich?
Der erste Hinweis auf Rudi Dekkers kam von einer Reporterin,
die uns darauf aufmerksam machte, dass er in den
Fernsehinterviews nicht ehrlich klang, dass etwas mit ihm nicht
stimmen konnte. War es weibliche Intuition? Wir fanden, dass er
ganz aufrichtig klang.
RUDI DEKKERS: Ich hörte an jenem Morgen sofort, was
passiert war. Und der erste Gedanke, der mir durch den
Kopf ging, war: Wenn ich es gewusst hätte, ich hätte sie
eigenhändig erwürgt. Wenn in diesem Moment ein
Muslim hier hereinspazieren würde, wäre ich, glaube ich,
auch nur ein Mensch und würde ihn hochkam wieder
rauswerfen. Am Tag nach den schrecklichen Ereignissen
waren wir einfach nur traurig, genau wie alle anderen
Amerikaner.
Dekkers ist kein Amerikaner, sondern Holländer. Und die Art, wie
er die Verantwortung an seine Angestellten weiterreicht, klingt ein
bisschen einstudiert.
PAULA ZAHN (Moderatorin der CNN-Sendung »Live front
the Headlines«): Wie kam der erste Kontakt mit diesen
Männern zustande?
RUDI DEKKERS: Gestern habe ich von meinen
Angestellten erfahren ‒ ich habe schließlich nicht mit
allen Flugschülern, die hier hereinkommen, persönlich zu
tun ‒, dass diese beiden Männer im Juli 2000 kamen, um
sich unsere Anlage anzusehen, weil sie mit dem Verein in
Tampa, bei dem sie bis dahin geflogen waren, nicht
zufrieden waren. Nach ein paar Tagen tauchten sie
wieder auf und harten sich entschieden, bei uns zu
fliegen.
Das klingt nach einem klaren Zeitablauf. Aber hören Sie zum
Vergleich, was der Leiter der Flugschule Jones Aviation im
nahegelegenen Sarasota, Florida, dazu zu sagen hat. Er erzählt eine
vollkommen andere Geschichte.
TOM HAMMERSLEY: Es muss ungefähr im Juni 2000
gewesen sein, als sie von Huffman Aviation
heraufkamen. Normalerweise nehmen wir keine Schüler,
die von anderen Schulen kommen. Nur ausnahmsweise,
und in diesem Fall habe ich eine Ausnahme gemacht,
weil mir ihre Gründe einleuchtend schienen.
Dekkers' Aussage nach war der Terroristenboss Atta bei seinem
Eintritt in die Flugschule Huffmans bereits ein erfahrener Pilot.
PAULA ZAHN: Haben sie das Fliegen also sozusagen
von der Pike auf gelernt?
RUDI DEKKERS: Nein, Herr Atta besaß bereits einen
Privatpilotenschein, während Al-Shehhi erst ein paar
Stunden genommen hatte. Er hat seinen
Privatpilotenschein für ein- und mehrmotorige
Maschinen bei uns gemacht.
Aber wenig später wird dieser Aussage widersprochen. Eine
weitere Ungereimtheit. »Atta war bereits Pilot. Er besaß schon einen
Privatpilotenschein.« Richtig?
TOM HAMMERSLEY: Nicht, als er hier ankam. Er stand
kurz davor. Er hatte schon drei Viertel des
Ausbildungsprogramms für den Privatpilotenschein
absolviert .
DANIEL HOPSICKER: War das der gleiche Kurs den
Marwan mitgemacht hat?
TOM HAMMERSLEY: Ja.
DANIEL HOPSICKER: Aber gab es nicht deutliche
Leistungsunterschiede zwischen den beiden?
TOM HAMMERSLEY: Atta war der bessere Pilot, aber
wenn man die beiden als Flugschüler betrachtet, die
zusammen lernen, hätten sie, gemessen an dem Pensum,
das sie schon hinter sich gebracht hatten, eigentlich viel
weiter sein müssen.
Das FBI wusste, wie wir erfahren haben, schon seit einiger Zeit über
die Terroristenausbildung in Rudi Dekkers' Flugschule Bescheid,
weswegen es vermutlich auch so rasch reagierte.
PAULA ZAHN: Das FBI hat Ihnen erst vor wenigen
Stunden einen Besuch abgestattet und einige Unterlagen
konfisziert. Können Sie uns mehr dazu sagen?
RUDI DEKKERS: Gestern gegen 14.30 Uhr riefen sie
meinen Geschäftsführer hier in Venice an und wollten die
C-2-Akten sehen. Ich kam gegen 7 Uhr morgens ins Büro.
Sie waren immer noch da, und ich sprach kurz mit ihnen.
Sie sagten, sie seien gerade im Begriff zu gehen. Ich sagte
ihnen, ich hätte noch mehr Kunden aus dem Nahen
Osten, und ich hielt es für richtig, ihnen alle meine Akten
zu überlassen. Also habe ich ihnen mehrere hundert
Akten aus den vergangenen Jahren mitgegeben.
Die Akten aus Rudi Dekkers' Flugschule könnten einige hartnäckige
Fragen über die konspirativen Aktivitäten der Terroristen in Florida
beantworten und vielleicht sogar offenbaren, welche Hilfestellung
ihnen in unserem Land von wem zuteil wurde. Aber diese Fragen
wurden nicht beantwortet, weil das FBI nichts über den Inhalt der
Akten verlauten ließ. Ein Polizeibeamter aus Venice berichtete, dass
sie, das FBI, direkt vor dem Polizeirevier zwei Lkw beluden, die sie
dann zum Flugplatz Sarasota und geradewegs an eine C-130-
Transportmaschine des Militärs steuerten, die wenig später mit Jeb
Bush an Bord abhob. Da sich das FBI ausschweigt, sollte man Jeb
Bush vielleicht ein paar Fragen stellen.
Und dann wurde, wie es unmittelbar nach einem
weltbewegenden Ereignis manchmal der Fall ist, die Katze doch ein
wenig aus dem Sack gelassen.
PAULA ZAHN: Eines würde mich interessieren: Einer
der Männer wird von vielen für einen Bombenanschlag
auf einen Bus in Israel verantwortlich gemacht. Wieso
konnte sich dieser Mann ungehindert in Ihrer Schule
anmelden?
RUDI DEKKERS: Naja, sie sind nicht über den normalen
Behördenweg gekommen, also sie haben nicht aus
Europa angerufen, sodass wir zwei Monate vorher
gewusst hätten, dass sie aufkreuzen. Wie gesagt, sie
kamen von einer anderen Flugschule in Florida.
Wahrscheinlich haben sie den Papierkram für den INS,
also die Einwanderungsbehörde, in ihrem Heimatland
über diese Flugschule abgewickelt.
Von offizieller Seite wurde umgehend bestritten, dass es sich bei
dem Mohammed Atta, der für die Zerstörung des World Trade
Center verantwortlich war, und dem Mohammed Atta, der 15 Jahre
zuvor einen israelischen Bus in die Luft gesprengt hatte, um ein und
dieselbe Person handelt. Wir haben also offensichtlich zwei
arabische Terroristen mit exakt dem gleichen Namen. Doch dann
entdeckten wir in einem Artikel aus der Washington Post vom 15.
September, dass Mohammed Atta die internationale Offiziersschule
an der Maxwell Air Force Base in Montgomery, Alabama, besucht
hatte, während andere Mittäter am Institut für Luft- und
Raumfahrtmedizin an der texanischen Brooks Air Force Base bzw.
am militärischen Fremdspracheninstitut im kalifornischen Monterey
eingeschrieben waren. Drei der Terroristen, so hieß es in der
Washington Post weiter, hatten in ihrem Führerschein sogar den
Marineflieger-Stützpunkt in Pensacola, Florida, als Adresse
angegeben, wo sie an einem internationalen militärischen
Austauschprogramm für Offiziere teilnahmen. Wenn ausländische
Staatsangehörige, die sich später als Terroristen entpuppten, an
militärischen US-Einrichtungen ausgebildet wurden, mussten sie
höchstwahrscheinlich über Verbindungen zu USA-freundlichen
arabischen Regierungen verfügen. Und das ist eine interessante
Geschichte. Aber auch das stritten die Behörden ab, nachdem der
Artikel erschienen war. Also haben wir es mittlerweile offensichtlich
mit drei verschiedenen Mohammed Attas zu tun. Man stelle sich
das vor.
Rudi Dekkers beeilte sich, jede Verantwortung von sich zu
weisen. Er sei nur ein harmloser Geschäftsmann, erklärte er vor
Reportern.
PAULA ZAHN: Und es ist sicher schwer für Sie, weil Sie
sich irgendwie ein bisschen verantwortlich fühlen, nicht?
RUDI DEKKERS: Nein, wir fühlen uns absolut nicht
verantwortlich für das, was passiert ist. Nein. Nicht im
Geringsten.
Die Terroristen hielten sich nur für kurze Zeit in Venice auf und
gingen dann an die Ostküste von Florida, erklärte Dekkers.
RUDI DEKKERS: Ich habe gestern erfahren, dass sie
unsere Flugschule nach dem November 2000 verließen
und sich an einer Flugschule in Pompano Beach
zusätzlich in Jets ausbilden ließen.
Auch in späteren Interviews blieb er weitgehend bei seiner
Geschichte.
RUDI DEKKERS: Atta und Al-Shehhi marschierten zur
Eingangstür herein, und wir waren in keiner Weise
verpflichtet, ihre Lebensgeschichte zu durchleuchten,
ihre Pässe oder ihre Personalausweise zu überprüfen.
Wer also war verantwortlich dafür, dass sich Terroristen mitten
unter uns befanden? Genau ein halbes Jahr später lieferte
erstaunlicherweise Rudi Dekkers selbst einen Hinweis zur
Beantwortung dieser Frage.
JIM MCLAUGHLIN (Moderator von WINK News): Genau
ein halbes Jahr nach den Terroranschlägen vom 11.9.
fand der Mann, der zwei Terroristen Flugunterricht
erteilt hatte, ein paar überraschende Papiere in seiner
Post.
LOIS THOME (Moderatorin von WINK News): Gestern
erhielt Rudi Dekkers von Huffman Aviation die
Visazusage für die Hijacker Mohammed Atta und
Marwan Al-Shehhi.
Ein erstaunliches Timing machte es möglich, dass er das erlösende
Wort direkt im Fernsehen aussprechen konnte. Rehabilitiert!
RUDI DEKKERS: Wenn ich montagmorgens ins Büro
komme und meine Post aufmache, rechne ich nicht
damit, dass mir zwei Visa für Atta und Al-Shehhi
entgegenflattern. Ich dachte, die Sache wäre
ausgestanden. Wir hatten die Papiere ordnungsgemäß
beantragt, und darum freue ich mich, die Sache
bereinigen zu können.
WINK NEWS: Sie fühlen sich also rehabilitiert?
RUDI DEKKERS: Ja.
Und plötzlich begann sich der anklagende Zeigefinger auf die
untergeordnete Einwanderungsbehörde zu richten.
WINK NEWS: Seiner eigenen Aussage zufolge war
Dekkers nicht überrascht, dass es 17 Monate dauerte, bis
die Papiere für Atta und Al-Shehhi zurückkamen. Er
meinte, das sei im Grunde noch schnell gegangen,
manchmal dauere der Vorgang bis zu zwei Jahren. Den
Einwanderungsbehörden ist das Ganze ziemlich peinlich,
und in einer Presseerklärung heißt es: »Das derzeitige
System der Beschaffung von Informationen über
Studenten ist überholt, ungenau und überflüssig.«
Dank sei dem aggressiven US-Journalismus. So konnte Dekkers aus
den chaotischen Zuständen beim INS beträchtliches Medienkapital
schlagen. Nur ein ausgemachter Zyniker würde sich vermutlich
fragen, ob das Ganze nicht ein abgekartetes Spiel war.
RUDI DEKKERS: Die Flugschulen haben keinen Fehler
gemacht. Der Staat muss den Fehler bei sich selbst suchen
und sehen, was geändert werden kann, damit so etwas
nicht noch einmal passiert.
Aber als der holländische Staatsbürger, dessen Flugschule als
amerikanischer Brückenkopf für Terroristen fungiert hatte,
aufgefordert wurde, sich vor dem Kongress darüber auszulassen,
wie eine Wiederholung des 11. September zu vermeiden sei, ging
das manch einem Beobachter über die Hutschnur. Dekkers schien
auf einer Wellenlänge mit CNN zu liegen. Er trat jetzt gar als
Berater des Kongresses auf, so wie er zuvor dem FBI seine Hilfe und
seinen Rat angeboten hatte. Die Geschichte half, die Wut der
Öffentlichkeit über die Terroranschläge zu kanalisieren.
WINK NEWS: Einwohner von Venice wie Ralph Hargess
wissen zwar, dass das rechtzeitige Eintreffen der Papiere
den 11. September nicht verhindert hätte, aber sie sind
der Meinung, dass etwas mehr Aufmerksamkeit seitens
des INS dies möglicherweise getan hätte.
RALPH HARGESS: Irgendwo lässt sich jemand sehr viel
Zeit. Man lässt sie in unser Land. Und wir zahlen den
Preis.
Einige Einwohner von Venice sahen den wahren Schuldigen
allerdings anderswo. Als die Bürger der Stadt herausfanden, dass
diese Leute mitten unter ihnen gelebt hatten, gleich drei von ihnen,
also direkt vor ihrer Nase...
BRENDA COVER (Verkäuferin in einem Supermarkt in
Venice): Am liebsten hätten sie den Flugplatz abgefackelt.
Selbst weniger kritische Journalisten waren angesichts des INSDebakels
skeptisch, wenn nicht gar peinlich berührt.
CNN: Also, vielleicht ist mir da beim Kopfschütteln
etwas entgangen, aber erklären Sie doch noch einmal,
weil ich es gelesen habe, aber nicht sicher bin, ob ich
verstanden habe, was uns der INS hier sagt. Irgendwann
vor relativ kurzer Zeit wurden diese Papiere in einen
Umschlag gesteckt und nach Florida geschickt. Hat
irgendjemand einen Blick darauf geworfen?
Offensichtlich nicht. Man sollte doch meinen, dass die
Namen Atta und Al-Shehhi, die so häufig in den
Nachrichten auftauchten wie kein anderer, ins Auge
springen.
Ein weiteres Beispiel für den aggressiven US-Journalismus.
Bevor man Rudi Dekkers irgendeinen Orden an die Brust heftet,
sollte man sich unserer Meinung nach anhören, was Leute, die ihn
kennen, zu sagen haben. Beispielsweise hat er hier im Ort nicht den
besten Ruf. Coy Jacob betreibt direkt neben Rudi Dekkers am
Flugplatz von Venice ein Flugunternehmen
COY JACOB: Er hatte eine Flugschule, ein nicht sehr
erfolgreiches Unternehmen, in Naples. Er hatte Probleme
mit der FAA, ich glaube, sie hatten ihm die Lizenz
entzogen oder ihm einen Verweis erteilt.
Außerdem erfahren wir, dass er ziemlich pleite ist. Bob Mudge
schreibt für die Lokalzeitung Venice Gondolier.
BOB MUDGE: Ich glaube nicht, dass ich vor April oder
Anfang Mai letzten Jahres ‒ als er, nachdem ich erfahren
hatte, dass er mit der Miete im Rückstand war, erneut
seine Miete schuldig blieb ‒ überhaupt etwas über Rudi
wusste, nicht einmal seine Übernahme von Huffman. Der
zu dieser Zeit einzige Unternehmer, der seine Basis am
Municipal Airport von Venice hatte, war damals, glaube
ich, drei Monate mit der Miete im Rückstand, und die
Stadt hatte ihm brieflich eine Räumungsklage angedroht.
Selbst die Begleitumstände beim Kauf von Huffman Aviation
gaben irgendwie zu denken.
COY JACOB: Meines Wissens gab es keine
nennenswerten Verhandlungen. Das ist absolut
unmöglich. Ich meine, man kommt nicht einfach zur Tür
herein und kauft ein Unternehmen wie dieses. Sie kamen
in die Stadt geschneit. Sie waren einen oder zwei Tage
hier und trafen sich mit Stan Huffman. Er nannte eine
Zahl, sie sagten ja, stellten ihm einen Scheck aus, Stan
verabschiedete sich, sie sind hier, und dann informierten
sie die Stadt Venice über die Fakten, die sie geschaffen
hatten. Das war für alle hier am Flugplatz ein Schock. Ich
glaube, weder der Magistrat noch das Amtsgericht oder
auch nur der Direktor des Flugplatzes wussten etwas
von der Sache, und das ist der springende Punkt. Man
darf an diesem Flugplatz und an den meisten anderen
staatlich subventionierten Flugplätzen ohne Zustimmung
der zuständigen Behörden keine Immobilien verkaufen.
Die Stadt Venice war nicht die einzige staatliche Institution, die für
Rudi Dekkers bereitwillig geltendes Recht beugte.
COY JACOB: Rudi ist kein US-Bürger, ich glaube nicht,
dass er die Staatsbürgerschaft hat, und die FAA war
schon immer sehr wählerisch damit, wem es erlaubt ist,
ein in den USA registriertes Flugzeug auch nur zu
besitzen. Ausländische Staatsbürger können in den USA
kein Flugzeug registrieren lassen ‒ sie können es in den
USA nicht besitzen.
Dennoch besaß Dekkers, wie wir gleich sehen werden, nicht nur in
den USA registrierte Flugzeuge, sondern sogar eine USCharterfluggesellschaft.
BOB MUDGE: Er war an der Gründung von FLAIR, so
hieß sie, glaube ich, beteiligt, was einfach für Florida Air
steht. Und ich weiß, dass er eine Menge Probleme damit
hatte. Ich glaube, er hatte den Betrieb für kurze Zeit
aufgenommen, stellte ihn aber ziemlich bald wieder ein.
Wir gehen mit unseren Recherchen aus vielerlei Gründen
nicht über eine bestimmte Schwelle hinaus. Wir haben
nicht genügend Leute, die Geschichten übersteigen
unseren Horizont. Ich habe einiges darüber gehört,
warum die Fluggesellschaft in Schwierigkeiten geraten
ist, es gab einige Geldprobleme und, soweit ich gehört
habe, Probleme mit Leuten, die nicht bezahlt wurden,
und darüber habe ich mich irgendwann einmal mit
Dekkers unterhalten, und er gab ich weiß nicht mehr
wem die Schuld.
An diesem Punkt erfuhren wir von Rudi Dekkers zwielichtigen
Geldgeschäften.
TOM HAMMERSLEY: Ich habe nur gehört, dass er einen
Hintermann in Naples hat, der ihn finanziell absicherte.
Dass das Geld, mit dem er gewissermaßen herumprotzte,
gar nicht sein Geld war. Er war nur der Strohmann für
den Kerl, der das Geld hatte.
COY JACOB: Ich konnte es nur so erklären und mir
wurde es nur so erklärt, dass Rudi Dekkers ein
Pleiteunternehmen in Naples betrieb, er verdiente kein
Geld damit, er genoss nicht den besten Ruf.
Irgendwie änderte sich dann Rudi Dekkers finanzielle Situation mit
einem Schlag.
COY JACOB: Ungefähr ein Jahr vorher hatte er mich
gebeten, ihn von Venice nach Naples mitzunehmen, das
ist so etwa ein 20-Minuten-Flug, und er hatte nicht genug
Geld, um den Treibstoff zu bezahlen. Ich sagte, okay, du
kannst mit einem meiner Piloten rüberfliegen, wenn du
den Treibstoff bezahlst. Damals hatte er nicht mal genug
Geld, um den Treibstoff für einen Hin- und Rückflug zu
bezahlen, und ein Jahr später knallt er 1,7 oder 1,8 oder 2
Millionen Dollar auf den Tisch, als wäre es Spielgeld.
Tom Hammersley war leitender Fluglehrer am Florida Flight
Training Center, der zweiten Flugschule am Flugplatz von Venice in
holländischem Besitz. Dort wurde der Terrorpilot ausgebildet, der
am Steuer der Maschine saß, die über Westpennsylvania abstürzte.
TOM HAMMERSLEY: Ich wusste, dass er sozusagen das
ganze Viertel aufkaufen wollte, er wollte ein Monopol
am Flugplatz haben. Das war eines seiner Ziele. Und ich
habe das absolut nicht anders gesehen als ein Holländer
mit einem französischen Komplex, den man Napoleon-
Komplex nennt.
Zwei holländische Staatsbürger hatten also ein Jahr, bevor die
Terroristen hier einzulaufen begannen, Flugschulen am Flugplatz
von Venice gekauft. Einheimische Beobachter fanden, dass dies ein
Holländer zu viel für einen Zufall war.
COY JACOB: Es kam uns irgendwie merkwürdig vor,
weil die einzige andere Flugschule vor Ort Arne Kruithof
gehört, der ebenfalls Holländer ist, was eigentlich sehr
unwahrscheinlich ist.
DANIEL HOPSICKER: Und beide Flugschulen wurden
im gleichen Jahr, ein Jahr, bevor die Terroristen hier
auftauchten, gekauft.
COY JACOB: Ungefähr zur gleichen Zeit.
BOB MUDGE: Ich habe etliche Gerüchte über
Verbindungen zwischen ihnen und anderen Geschäften
hier und Personen und Organisationen außerhalb der
Region gehört, die ich aber nicht untermauern konnte.
Jedenfalls kann man aber sagen, dass es ein interessanter
Zufall ist.
Die Annahme, es könne reiner Zufall sein, dass Dutzende von
Arabern in zwei unterschiedlichen, von Holländern betriebenen
Flugschulen an diesem winzigen Flugplatz fliegen lernten, wird
auch als Theorie der holländischen Wunderknaben bezeichnet.
Die Erklärung des FBI zu der Verschwörung, die zur Katastrophe
des 11. September führte, folgt der gleichen absurden Logik wie die
Theorie der Wunderkugel im Fall des Kennedy-Attentats, bei dem
nur eine Wunderkugel ein Szenario rechtfertigen konnte, in dem es
möglich war, Lee Harvey Oswald das Etikett eines wahnsinnigen
Einzeltäters anzuhängen.
Man stelle sich das vor: Die beiden Piloten, die jeweils eine
Maschine in die Zwillingstürme des World Trade Center steuerten,
wurden bei der Huffman Aviation des Holländers Rudi Dekkers
ausgebildet, der das Unternehmen ein Jahr vor der Ankunft der
Terroristen gekauft hatte. Zu dem terroristischen Duo, das an der
Golfküste Floridas zielgenaues Landen übte, gesellte sich bald ein
dritter terroristischer Flugschüler, der Libanese Ziad Jarrah, der am
Steuer der in Westpennsylvania abgestürzten Maschine saß, sodass
es nun ein terroristisches Triumvirat am Flugplatz von Venice gab.
Jarrah wurde am Florida Flight Training Center ausgebildet, das der
zweite Holländer gerade erst gekauft hatte. Zwei Holländer als
Käufer zweier benachbarter Flugschulen, die kurze Zeit später von
Terroristen überrannt werden, ist »ein Scheißholländer zu viel«,
sagte uns ein Polizist aus Florida. Die Sache stinkt. Was das Ganze
noch anrüchiger macht, ist die Tatsache, dass sowohl Dekkers als
auch Kruithof behaupten, sich erst in Venice kennen gelernt zu
haben. Es stellte sich heraus, dass das eine Lüge ist.
TOM HAMMERSLEY: Ich war auch leitender
Fluglehrer beim Florida Flight Training
Center, das seine Basis am Flugplatz von
Venice hat. Es liegt auf der anderen Seite. Und
ich kannte Rudi Dekkers. Arne Kruithof, mein
ehemaliger Chef, und Rudi Dekkers sind beide
Holländer. Sie kennen sich schon ewig.
Wir wollten Arne Kruithof danach fragen, aber als wir ihn in seiner
Flugschule besuchten, versuchte er uns einzuschüchtern. Es
funktionierte nicht.
ARNE KRUITHOF: Seien Sie froh, dass Sie da sitzen, wo
Sie jetzt sitzen, denn wenn Sie in Rudis Büro säßen,
wären Sie es nicht.
Ein Verbindungsglied zwischen den beiden Männern ist ein
Deutscher namens Pascal Schreier, der Kunden für beide anwarb,
und zwar in ‒ jetzt spitzen Sie die Ohren! ‒ Hamburg, Deutschland.
TOM HAMMERSLEY: Ich kenne Pascal Schreier. Ich
habe in meiner Zeit beim Florida Flight Training Center
mit ihm zu tun gehabt. Er ist Deutscher, und er warb in
Europa viele Flugschüler an und schickte sie zu Arne.
Die beiden Holländer aus Venice betrieben angeblich
konkurrierende Flugschulen. Aber seltsamerweise unterhielt Pascal
Schreier geschäftliche Beziehungen zu beiden. Der französischen
Zeitung le Monde zufolge wurde Osama Bin Ladens älterer Bruder
Yeslam von der Schweizer Polizei verhört, weil eine seiner Firmen,
Avon Air Charter, ihren Kunden Flugunterricht an den Flugschulen
in Venice anbot, in denen einige der Flugzeugentführer fliegen
gelernt hatten.
TOM HAMMERSLEY: Ich fragte sie, was genau ihr
Lernziel sei, und sie sagten, sie wollten fliegen lernen, um
später bei Saudia Air fliegen zu können. Für jemanden
aus dieser Gegend ist Saudia die Top-Fluggesellschaft im
Nahen Osten.
Warum haben wir davon nichts in der so genannten freien Presse
der USA gelesen? Warum nehmen wir das Wort eines Mannes von
so zweifelhaftem Charakter immer noch für bare Münze?
Beispielsweise musste sich Dekkers kürzlich vor Gericht
verantworten, nachdem ihn ein 18-jähriges Mädchen wegen
sexueller Belästigung angezeigt hatte. Es stellte sich heraus, dass die
junge Frau, eine ehemalige Angestellte, auch die von Fehlern
strotzenden Antragsformulare der Terroristen an die
Einwanderungsbehörde geschickt hatte ‒ Sie erinnern sich, die
Anträge für die Visa, die auf den Tag genau ein halbes Jahr nach
den Anschlägen in Venice eintrafen. Vielleicht kann man ihr ihre
Fehler angesichts der Tatsache, dass sie abgelenkt war, weil ein
alternder holländischer Lüstling sie gerade begrapschte, verzeihen.
DANIEL HOPSICKER: Wussten Sie beispielsweise, dass
er etliche Male der sexuellen Belästigung bezichtigt
wurde?
COY JACOB: Ja, ich habe davon gehört. Die Gerüchte
machen hier am Flugplatz die Runde. Der Flugplatz ist
eine kleine Gemeinde. Es ist wie ein Mikrokosmos der
Gesellschaft, das ist bei den meisten Flugplätzen so. Ja,
einige Leute ‒ Frauen ‒ gingen weg, und da drüben, also,
ich habe gehört, dass es da drüben Probleme gab.
Man hat also einen Mann, der sich daran aufgeilt, 18-jährigen
weiblichen Angestellten von hinten Besenstiele unter den Rock zu
schieben, gebeten, sich vor dem Kongress der Vereinigten Staaten
zu den Möglichkeiten der Vermeidung künftiger Terroranschläge
zu äußern. Offensichtlich kam niemand auf die Idee, ihn zu fragen,
welches seine Rolle bei den Ereignissen des 11. September war oder
in welcher Weise er sie möglicherweise begünstigt hatte. Warum
nicht? Wie wir gerade gesehen haben, lag es nicht an seinem
untadeligen Charakter. Woran sonst? Warum und von wem wird
Rudi Dekkers gedeckt?
Um das Folgende zu verstehen, sollten wir uns vielleicht ein
Stück US-Geschichte ansehen. In den bösen Tagen des Kalten Kriegs
hatte die größte Fluggesellschaft der Welt nur einen einzigen
Besitzer ‒ die CIA. Sie betrieb ihre Fluglinie unter buchstäblich
Hunderten von Namen, die ständig geändert wurden. Als der
damalige Leiter der CIA, Richard Helms, irgendwann einmal eine
Auflistung sämtlicher Flugzeuge sehen wollte, erklärte man ihm,
eine akkurate Inventur sei unmöglich, weil das System zu
kompliziert sei. Als die Wellen der öffentlichen Empörung über die
Machenschaften des Geheimdienstes nach Watergate hochschlugen,
trennte sich die CIA angeblich von ihren Fluggesellschaften. Aber
irgendetwas ist bis heute im Gange.
Sehen wir uns Florida Air an. Zur gleichen Zeit, in der Rudi
Dekkers als Pleiteunternehmer Schlagzeilen in der Lokalpresse
macht, gründet er eine Nahverkehrsfluggesellschaft. Mir scheint, es
gibt nicht viele Leute, die mit der Miete im Rückstand sind und sich
gleichzeitig den Luxus leisten, über eine neue Fluglinie
nachzudenken.
Dekkers hatte einen Partner im Staat Washington. Sein Name ist
Richard Boehlke. Ihm gehörte die Gesellschaft Harbor Air, die als
Fluglinie der Marine galt, weil sie für den großen Marineflieger-
Stützpunkt Whidby in Oak Harbor, Washington, im Einsatz war.
Dekkers machte Geschäfte mit einem Partner, der bei der
mafiaartigen Plünderung von Pensionskassen in Portland, Oregon,
eine Rolle gespielt hatte. Insgesamt fehlten 350 Millionen Dollar.
Und die Verantwortlichen kamen nicht nur ungeschoren davon,
sondern bis auf die Lokalpresse, die sich irgendwie erstaunt zeigte,
nahmen die Medien kaum Notiz von dem Fall.
Dekkers' Partner Richard Boehlke hatte wirklich Glück. Er erhielt
26 Millionen Dollar für den Bau eines Hochhauskomplexes, der nur
12 Millionen Dollar kostete. An wen muss man sich wenden, um
derartige Wohltaten zu erhalten?
Auch der Journalist Eric Mason aus Portland fand die
Verbindung Boehlke-Dekkers interessant. Als er Boehlke
interviewen wollte, leugnete dieser seine Identität.
ERIC MASON: Es ist interessant, wissen Sie, als ich das
erste Mal mit ihm sprechen wollte, behauptete er, er sei
nicht Richard Boehlke. Ich sprach ihn aufgrund der
Beschreibung an, die ich bekommen hatte, und fragte:
»Mr. Boehlke, sind Sie bereit, mir ein Interview zu
geben?« Worauf er sagte: »Mr. Boehlke ist nicht hier.« Als
er mir dann wieder begegnete, sagte ich: »Mr. Boehlke,
ich glaube, Sie sollten wirklich mit mir reden. Ich habe
Ihnen einige wichtige Fragen zu stellen.« Da sagte er
schließlich: »Okay, kommen Sie mit rauf.«
Mason interessierte sich aus den gleichen Gründen für Boehlke wie
wir.
ERIC MASON: Wegen der Finanzgeschäfte zwischen
Boehlke und Florida Air, einem Schwesterunternehmen
der Flugschule, in der Mohammed Atta ausgebildet
wurde.
Erinnern Sie sich, dass wir zu Beginn des Films sagten, es sei eine
Geschichte der Legenden? Die Legende eines Menschen sei seine
Tarnung, die Lüge, die so lange Bestand hat, wie er damit
durchkommt? Nun, eigenartigerweise trägt Richard Boehlkes
Bauprojekt in Portland den Namen Legends. Dekkers mag in so
manches Luftfahrtgeschäft verwickelt sein, das in geschäftlicher
Hinsicht keinen Sinn ergibt. Das Gleiche gilt allerdings für seinen
Partner Richard Boehlke.
ERIC MASON: Ehemalige Angestellte von Richard
Boehlke haben sich schon immer gefragt, was es mit der
Fluglinie wirklich auf sich hatte. Sie hatten von Anfang
an das Gefühl, dass dieses Flugunternehmen aus dem
Immobilienbesitz und den Seniorenheimen finanziert
wurde und dass mit der Fluggesellschaft unmöglich Geld
zu machen war. Die Frage, worum es bei dieser
Fluggesellschaft wirklich ging, harrt also noch einer
Antwort.
Wenn etwas in geschäftlicher Hinsicht unsinnig ist, muss man den
Sinn des Unternehmens manchmal anderswo suchen.
COY JACOB: FLAIR wurde hier von Dekkers und
seinem Partner Wally Hilliard gemeinsam ins Leben
gerufen und war von Anfang an ein unsinniges
Unterfangen. Die Gründung einer Fluglinie, die Chancen,
dass das funktionieren würde, also, wir haben unsere
Witze darüber gemacht. Alle hier haben darüber gelacht.
Ich habe gewitzelt und gesagt: Na klar, die gründen eine
Fluglinie, und ich arbeite hier an einem
Weltraumbahnhof.
Wir sind, vergessen Sie das nicht, auf der Suche nach Hinweisen auf
das globale Netzwerk, von dem die Terroristen den Behörden
zufolge hier im Land Unterstützung erhalten haben müssen.
ERIC MASON: Er erhielt Gelder von Capital
Consultants. Und Capital Consultants, die Geschäftsführer
von Capital Consultants, stehen mittlerweile in
etlichen Punkten, unter anderem wegen Betrugs, unter
Anklage. Manche sprechen von einem Schneeballsystem.
Ich glaube, die Staatsanwaltschaft hat in diesem Fall
zumindest ein Geschworenengericht überzeugt, Anklage
wegen Betrugs zu erheben. Und man muss sich fragen,
wo das ganze Geld in dieser riesigen Finanzholding
versickert ist. Man muss sich fragen, wie viel Geld eine
Firma verlieren kann, ohne irgendetwas dafür vorweisen
zu können.
Ein weiterer dankbarer Empfänger etlicher Millionen aus der
Pensionskasse war Alvin Malnik, der im Reader's Digest einmal als
Meyer Lanskys Nachfolger an der Spitze des organisierten
Verbrechens bezeichnet worden war. Und wie es sich mit globalen
Netzwerken nun einmal verhält, wachsen sie über dieses Format
selten hinaus. Aber es sind nicht Malniks schwere Jungs, die uns ins
Staunen bringen, sondern seine Beziehungen zur saudi-arabischen
Königsfamilie. Der Sohn des jüdischen Gangsterbosses Alvin
Malnik ist der Ehemann der Schwägerin von Prinz Turki, einem
führenden Prinzen aus der königlichen Reichsgründerfamilie, der
als Malniks Gast im Cricket Club, einem Edelapartmentkomplex in
Miami, wohnte. Der Prinz hielt nicht nur seine segnende Hand über
die Ehe, sondern unterhielt auch beste Beziehungen zu Mitgliedern
des organisierten Verbrechens, wie wir von einem gut informierten
Beobachter erfuhren. Er ließ Malnik und seine Jungs regelmäßig in
seiner privaten Boeing 747 in Florida abholen, um im Flugzeug
ohne lästige Zeugen seine Geschäfte mit ihm abwickeln zu können.
Malnik ist auch Eigentümer eines Lokals namens The Forge, das
in Polizeikreisen als größter Mafiatreffpunkt südlich von New
Jersey gilt und das vor allem gestandene Männer in Begleitung
auffallend junger Frauen anzieht. Bei einer Anhörung vor dem
Bankenausschuss des Senats, in der es um die terroristischen
Geldkanäle nach dem 11. September ging, sagte der stellvertretende
Generalstaatsanwalt: »Wir können, ehrlich gesagt, Terrorismus,
organisiertes Verbrechen und Drogenhandel nicht auseinander
halten.«
Rudi Dekkers arbeitet offensichtlich mit Leuten zusammen, die
Geschäfte mit der Mafia machen, und die Mafia ist ein globales
Netzwerk und im Heroinhandel tätig, womit sie ziemlich viel mit
Osama Bin Ladens Organisation gemein hat, die sich, wie
angenommen wird, vorwiegend über den Handel mit Heroin und
Opium aus Afghanistan finanziert.
Es gibt aber noch ein anderes globales Netzwerk, das häufig mit
der Mafia gemeinsame Sache macht und das seine Spuren überall in
Rudi Dekkers' Geschichte hinterlassen hat. Nehmen wir
beispielsweise Rudi Dekkers' Fluggesellschaft Florida Air. Wie die
Fluglinie der CIA in den 60er und 70er Jahren firmiert Dekkers'
Gesellschaft unter Dutzenden von Namen. Zum Beispiel ist Florida
Air in Wirklichkeit gar nicht Florida Air. Es sind die Sunrise Airlines
aus Las Vegas, die unter dem Namen Florida Air ihre Geschäfte
betreiben. Aber Sunrise Airlines aus Las Vegas sind auch nicht
wirklich Sunrise Airlines. Es ist die Firma Express Air aus Phoenix
die wiederum als Sunrise Airlines firmiert. Ein hochrangiges
Regierungsmitglied muss diese Jungs wirklich gern gehabt haben
denn sie erhielten aus einem Subventionsprogramm des
Transportministeriums zur Unterstützung des Luftverkehrs im
strukturschwachen ländlichen Arizona jährlich mehr als drei
Millionen Dollar.
Aber es kommt noch besser. Die Maschine, die sie im Rahmen
dieses Programms einsetzten, wurde ihnen für den symbolischen
Preis von einem Dollar pro Jahr von der Stadt Show Low, Arizona,
überlassen, die das Flugzeug praktischerweise für sie erwarb,
nachdem die Stadtväter einer Anleiheemission über zwei Millionen
Dollar zugestimmt hatten. Und es kommt noch viel besser.
Nachdem es diesen Geldsegen von der Regierung erhalten hatte,
führte Rudi Dekkers' Unternehmen die Flüge nicht einmal aus. Es
ging stattdessen pleite. Rudi Dekkers gründete eine
Fluggesellschaft. Und ‒ welch eine Ironie des Zufalls ‒ wer erhob
seine Stimme, um ihm die Unterstützung der Prominenz
zuzusichern? Keine andere als Floridas Innenministerin Katherine
Harris. Sie ist uns allen ein Begriff. An diesem Punkt fragten wir
uns, ob außer uns noch jemand sah, was wir sahen. Aber ja. Rudi
Dekkers' Präsenz in Venice, Florida, war einigen Leuten suspekt,
besonders solchen, die ihn kannten.
TOM HAMMERSLEY: Ich halte ihn in vieler Hinsicht für
ausgesprochen ehrgeizig. Wie weit er für den Erfolg
gehen würde? Ich kenne seinen Charakter nicht gut
genug, um mich dazu zu äußern.
COY JACOB: Jeder hier am Flugplatz weiß Bescheid.
Eine Bemerkung, die man hier oft hört, ist: Man darf ihm
nicht glauben, was er sagt. Er genießt keine große
Glaubwürdigkeit.
BOB MUDGE: Klar gab es Gelegenheiten, bei denen Mr.
Dekkers Dinge gesagt hat, die sich hinterher als unwahr
erwiesen.
COY JACOB: Sie hatten jemanden ‒ einen
Auslandsvertreter in Hamburg. Es war allgemein
bekannt, dass sie scharf waren auf die europäischen
Märkte, sie hatten Auslandsvertreter, sie nannten sie
Agenten. Nach dem, was geschehen ist, finde ich das
alles sehr verdächtig. Ich meine, wie wahrscheinlich ist
es, dass alle beteiligten Terroristen oder doch der weitaus
größte Teil von ihnen in einer oder zwei Flugschulen in
ein und derselben Stadt Unterricht nehmen?
Genau, wie wahrscheinlich ist es? Das ist die Frage, der das FBI
offenbar um jeden Preis ausweichen möchte. Sehen Sie sich das
Fahndungsplakat an, das zwei Wochen nach den Terroranschlägen
ausgehängt wurde. Sie hatten in den Flugschulen der beiden
holländischen Jungs alles mitgenommen, was ihnen in die Hände
fiel, warum also glänzt das Wort Venice durch Abwesenheit im FBIBericht?
Was hat das FBI zu verbergen?
Coy Jacob, der als Inhaber des benachbarten Flugunternehmens
mehr sah als die meisten, sagt, dass von dem Moment an, als Rudi
Dekkers ein Jahr vor Mohammed Attas Auftauchen einzog, am
Flugplatz von Venice ein ziemliches Misstrauen gegen ihn
herrschte. Dieses Misstrauen ist seit dem 11. September noch stärker
geworden.
COY JACOB: Wenn jemand mit seinem Geschäft an
einem Flugplatz Misstrauen erregt, fangen die Leute an,
sich verdächtig zu verhalten. Ich meine, bis zu einem
gewissen Grad ist die Polizei an allen Flugplätzen im
Südosten der USA präsent. Es ist nicht zu übersehen,
dass sie hier in der Gegend auf den Flugplätzen präsent
sind, und sie hatten die Anweisung, sich von diesem
Unternehmen fern zu halten.
DANIEL HOPSICKER: Wer hatte diese Anweisung?
COY JACOB: Den Beamten von der Drogenfahndung in
Sarasota wurde gesagt, diese Leute hätten grünes Licht
für ihre Geschäfte und sie sollten sich von ihnen fern
halten, sie wären so was wie ... es wurde angedeutet, dass
sie irgendwie unter staatlichem Schutz stehen.
Staatlicher Schutz für Rudi Dekkers. Das würde erklären, warum
CNN ihn mit Samthandschuhen anfasste. Die Frage war nur,
welche staatliche Instanz.
COY JACOB: Es ist allgemein bekannt, dass ziemlich
ranghohe Beamte der CIA hier ins Baugeschäft
eingestiegen sind. Mit Baugeschäft meine ich
Investitionen für die Zeit nach ihrer Pensionierung. Ich
würde sagen, das hier ist nicht... das Urlaubsparadies der
Familie Bush.
Rudi Dekkers wirkt auf die Einheimischen hier nicht gerade wie der
beste Kumpel von James Bond. Aber bei dem Geldgeber, der hinter
Rudi steht, sieht die Sache anders aus.
COY JACOB: Er schien uns nicht so gewieft, wie man es
von einem Geheimdienstler erwarten würde. Ich meine,
man stellt sich diese Typen alle wie James Bond vor,
wissen Sie, oder mit Hawaiihemd und einer Walther PPK
im Gürtel. Bei Wally Hilliard konnte man es sich dagegen
vorstellen, ich meine, Wally war zurückhaltend, ein
netter Kerl, hatte immer Empfang auf Seinem Handy.
Alle mochten ihn und er hatte eine Vorliebe für Learjets.
Haben CIA-Agenten eine Vorliebe für Learjets? Gab es Anzeichen
für rege verdeckte Operationen in Venice, Florida? Rudi Dekkers'
Geschäftspartner im Staat Washington gab uns den entscheidenden
Hinweis.
ERIC MASON: Richard Boehlke stieg mit
Seniorenheimen ins Geschäft ein, und irgendwann besaß
er das größte Unternehmen, die größte Holding für
Seniorenheime im ganzen Land. Eines der Seniorenheime
im Besitz der Firma, die einmal Richard Boehlke gehörte,
liegt nur einen Steinwurf von dem Flugplatz entfernt, an
dem Mohammed Atta zum Piloten ausgebildet wurde.
Man muss sich fragen, ob das nicht etwas zu viele Zufälle
sind. Sind es überhaupt Zufälle, oder steckt mehr
dahinter?
Hier nimmt die Geschichte eine ironische Wendung, die eines
Agentenromans von John Le Carre würdig wäre. Gerade der
Altersdurchschnitt der Einwohnerschaft, der Venice als Treffpunkt
für Terroristen so ungeeignet erscheinen lässt, ist das, was
Mohammed Atta und seinen Kader vor allem hierher gezogen hat.
Der US-Geheimdienst hatte hier ausgerechnet im Krankenpflegesektor
lange Zeit seine Finger im Spiel. Dieses imposante
Kolonialgebäude, das nur einen Straßenzug vom Flugplatz entfernt
ist, wurde gebaut als Firmensitz eines riesigen Konzerns für
Krankenpflegebedarf, der gegründet worden war von einem Mann,
dessen Name ein Synonym für verdeckte geheimdienstliche
Operationen in den vergangenen Jahrzehnten ist ‒ Jackson
Stephens.
Stephens' Name tauchte im Zusammenhang mit dem BCCISkandal,
dem Mena-Drogenskandal, dem Promis-Softwareskandal
und mit dem rätselhaften Selbstmord des ehemaligen Clinton-
Beraters Vince Fester auf. Dieses imposante Haus, in dem Jackson
Stephens' Anwaltsfirma immer noch ihren Sitz hat, zieht weite
Kreise. Gegenüber auf der anderen Straßenseite steht Richard
Boehlkes von Alterra mitbetriebene Seniorenresidenz, und gleich
um die Ecke findet man die Firma Huffman Aviation.
Am verblüffendsten war für uns die Entdeckung, dass die
Grundstücke um den Flugplatz von Venice ihre eigene Geschichte
der Zusammenhänge mit verdeckten Operationen erzählen. Es ist
die Geschichte des amerikanischen Geheimdienstes. Nehmen wir
Jackson Stephens' Anwaltsfirma Boone, Boone & Boone. Sie übt in
diesem kleinen Städtchen immer noch beträchtlichen Einfluss aus,
und ihr Gründer war während seines Studiums der Zimmergenosse
des ehemaligen Gouverneurs von Florida, Lawton Chiles, ein
Punkt, dessen Bedeutung gleich klar wird, wenn wir nämlich einen
Blick zum Ende der Straße werfen, wo der Zirkus Ringling Brothers
Barnum & Bailey in direkter Nachbarschaft zum Flugplatz seit
vielen Jahren sein Winterquartier bezieht.
Das Quartier in Florida hat, wie wir erfuhren, John Ringling
North, der langjährige Direktor des Zirkus, besorgt, dessen Sohn
Henry im Zweiten Weltkrieg Agent beim OSS, dem Vorgänger der
CIA, war. Und nicht etwa irgendein Agent, sondern der Mann, der
für die Freilassung von Schlüsselfiguren der Mafia aus italienischen
Gefängnissen sorgte, die ihm seine Großtat vergalten, indem sie
1944 den Einmarsch der Alliierten in Italien unterstützten. Über 50
Jahre später nun findet sich in unmittelbarer Nachbarschaft des
Zirkusquartiers, der Anwaltsfirma von Jackson Stephens und des
Flugplatzes von Venice ein Grundstück, auf dem der Italian
American Social Club steht. So etwas dürfte man in keinem Film
zeigen. Niemand würde es glauben. Freitag ist Pastaabend, erzählt
man uns. Wir fragen uns, was an den anderen Abenden hier vor
sich geht.
Wie es der Zufall so wollte, war der Zirkus, der auf seinen
Tourneen während des Kalten Krieges häufig hinter dem Eisernen
Vorhang gastierte, eine ideale Tarnung für geheimdienstliche
Aktivitäten. Ringlings Winterquartier neben dem Flugplatz war die
berühmte Clownschule angeschlossen, in der CIA-Rekruten viele
Jahre lang einen Teil ihrer Ausbildung absolvierten. Warum
besuchen angehende CIA-Agenten eine Clownschule? Die Antwort
ist einfach. Um Taschenspielertricks und Fingerfertigkeit zu lernen.
Und jetzt schließt sich der Kreis allmählich, denn erinnern Sie sich
noch an den ehemaligen Zimmergenossen des Gründers von
Stephens' Anwaltsfirma, den Demokraten Lawton Chiles?
Eigenartigerweise war er es, der Rudi Dekkers' einziger
prominenter Fürsprecherin, der Republikanerin Katherine Harris,
den Weg in die Politik ebnete, indem er sie in den Vorstand der
Ringling-Zirkusstiftung im nahe gelegenen Sarasota berief. Auch
das dürfte man in keinem Film zeigen, weil es niemand glauben
würde.
Es stellt sich heraus, dass Venice und das benachbarte Charlotte
County schon so lange Schauplatz geheimdienstlicher Operationen
sind, wie die Menschen zurückdenken können. Mindestens 23
Hubschrauber der Sheriffbehörden von Charlotte County
verschwanden auf unerfindliche Weise und wurden in so exotische
und ferne Länder wie Chile verfrachtet.
COY JACOB: Charlotte County galt schon immer als
irgendwie anrüchig ... Da gibt es einen Kerl, der
Hubschrauber saniert und der mit seinen Ersatzteilen
ständig Schwierigkeiten mit der FAA hat.
DANIEL HOPSICKER: Jamie Hill.
COY JACOB: Genau.
DANIEL HOPSICKER: In welche Richtung ermittelt der
Sheriff von Charlotte County wegen des Verschwindens
der 23 Hubschrauber? Man sollte doch nicht annehmen,
dass Charlotte County die 23 Maschinen nicht braucht?
COY JACOB: Nein. Allerdings. Natürlich nicht.
Warum spielt das in unserer Geschichte eine Rolle? Weil Charlotte
County allem zum Trotz, was uns das FBI erzählt hat, Mohammed
Attas erster Aufenthaltsort in diesem Land war. Diese von
Polizeibeamten aus Charlotte County entdeckten und hier zum
ersten Mal gezeigten E-Mails stammen von Mohammed Atta. Aus
ihnen geht hervor, dass Mohammed Atta offenbar per E-Mail mit
Leuten korrespondierte, die für Rüstungsfirmen wie Virtual
Protype arbeiteten, auf deren Homepage nachzulesen ist, dass sie an
der Entwicklung der Bordelektronik für den F-15-Fighter, den F-22-
Raptor, den B-2-Bomber und den Kampfhubschrauber Apache
Longbow beteiligt waren.
Wir haben herausgefunden, dass Rudi Dekkers regelmäßig
Wartungsarbeiten bei Caribe Air ausführt, einer am Flugplatz von
Charlotte County beheimateten Fluggesellschaft, deren Betreiber
Dietrich Rhinehardt ein bekannter Akteur in der Iran-Contra-Affäre
war. Rhinehardt kann sich außerdem rühmen, Geschäftspartner des
Mannes zu sein, der verdächtigt wird, für das Verschwinden der
vielen Hubschrauber verantwortlich zu sein. Dekkers arbeitet also
für eine Luftverkehrsgesellschaft der CIA mit einer besonders
anrüchigen Vergangenheit, zu deren Schandflecken unter anderem
die Beschlagnahme ihrer Maschinen an dem in Verruf geratenen
Flugplatz von Mena, Arkansas, gehört. Und die von der
Staatsanwaltschaft angeklagt ist, sie habe ihre Flugzeuge eingesetzt,
um Drogen im Wert von vielen Milliarden Dollar ins Land zu
schaffen.
Ein weiterer Akteur der Iran-Contra-Affäre, Frank Moss, hat hier
ein weithin sichtbares Zeichen seiner Präsenz hinterlassen. Ihm
gehört diese Oldtimer-DC-3. Sie ist angemalt wie eine fliegende
Arche. Sie steht hier, seit sie vor zwei Jahren beschlagnahmt wurde.
Wie es der Zufall will, haben Barry Seal ‒ einer der größten
Drogenschmuggler in der US-Geschichte, der in einem Kugelhagel
starb und in dessen Geldbeutel die private Telefonnummer von
George Bush gefunden wurde ‒ und seine Kumpane bei allen
Operationen in Venice und Umgebung ihre Spuren hinterlassen.
TOM HAMMERSLEY: Wir wussten, dass hinter Rudi
eine Menge Geld steckte. Wir wussten, dass er einen
Haufen Geld im Rücken hatte.
COY JACOB: Ich finde, wir sollten uns auf unseren
gesunden Menschenverstand verlassen. Und ich finde,
wenn man ein denkender Mensch ist und über gesunden
Menschenverstand verfügt, sieht man sich die Person, die
eine Erklärung abgibt, genau an und entscheidet, ob sie
einen Grund hat, Lügen zu erzählen. Naja, und ich finde
es ziemlich suspekt.
ERIC MASON: Es wurde, sozusagen, so viel Staub
aufgewirbelt, dass die Leute nicht sehen konnten, auf
welchem Weg das Trojanische Pferd möglicherweise
tatsächlich ins Land gekommen war.
In einer Welt, in der die Wahrheit mehr ist als ein lästiges Ärgernis,
würde am Rand dieser Stadt vielleicht ein Schild mit der Aufschrift:
»Willkommen in Venice, der Heimat des Trojanischen Pferdes«,
stehen. In einer solchen Welt leben wir nicht. Und werden vielleicht
nie darin leben.
Wir haben lediglich eine Stunde lang widersprüchliche Indizien
vorgelegt, die auf eine Verschwörung hindeuten, mit deren Hilfe
das amerikanische Volk im Dunkeln gehalten werden soll über die
wahren Hintergründe der Tragödie, die sich im vergangenen
September als dunkler Schatten über uns alle gesenkt hat. Wir
könnten noch stundenlang weitere Beweise aufführen. Aber an
diesem Punkt der Vorführung gehen wir aus der journalistischen
Reserve. Denn ich will Ihnen sagen, was ich glaube.
Ich glaube, dass nur eines schlimmer ist, als mit ansehen zu
müssen, wie Menschen zu zweit und zu dritt Hände haltend aus
dem hundertsten Stock springen: nämlich das mit ansehen zu
müssen und dann von der Regierung darüber belogen zu werden,
wer das Verbrechen warum begangen hat. Ich glaube, wir stehen
in den da heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, vor der
gleichen bitteren Realität wie die Bürger von Rom vor beinahe
2000 Jahren, als sie angewidert auf die arrogante und korrupte
kaiserliche Leibwache herunterblickten, die ihre einst so stolze
Republik zum Gespött gemacht hatte, und laut die Frage stellten,
die über die Jahrhunderte hinweg zu uns herüberschallt: »Wer
soll die Wächter bewachen?«