Ein Gespräch mit ANNIE MACHON, 8. März 2011 -
Annie Machon war Agentin des britischen Inlandsgeheimdienstes MI5. Sie begann ihre Karriere 1991 in der Abteilung für Terrorismusabwehr und politische Überwachung, nachdem sie zuvor ein Studium der klassischen Philologie an der Universität von Cambridge absolviert hatte.
Schon nach fünf Jahren quittierte sie 1996 gemeinsam mit ihrem Kollegen David Shayler den Dienst. Sie war dahintergekommen, dass der Geheimdienst an Morden beteiligt war, und ihr Ziel war es, diese Vorgänge öffentlich zu machen. Sie floh aus Großbritannien, tauchte in Frankreich „im Exil“ unter – bis sie schließlich nach Deutschland kam. Heute lebt sie in Düsseldorf als Buchautorin, Journalistin und Aktivistin. Sie nutzt ihr Wissen, um die gegenwärtige Strategie des „War on Terror“ und die Erosion der Zivilgesellschaft zu analysieren und über die tatsächlichen Aktivitäten von Geheimdiensten zu berichten.
Ex-Agentin Annie Machon sollte im Auftrag des MI 5 politisch "Subversive" ausforschen. |
Hintergrund: In welchem Ausmaß und wie tiefgreifend spionieren Geheimdienste Ihrer Erfahrung nach die Friedensbewegung und deren Organisationen, den politischen Widerstand oder zivile Kampagnen aus?
Annie Machon: Im MI5 wurde ich 1991 zuerst zu einer kleinen Einheit namens F2 abkommandiert, die politisch „Subversive“ ausforschte. Dies geschah trotz der Tatsache, dass man mir bei meiner Anwerbung sagte, dass sie nicht mehr nach den „Roten unterm Bett“ suchten – und tatsächlich gab es dafür keine Notwendigkeit, da die Berliner Mauer gerade gefallen und die äußere Bedrohung der Subversion im Vereinigten Königreich verflogen war.
Also war mein Arbeitsbereich ein bisschen so etwas wie ein Schock – aber er gab einen guten Einblick in die historischen (und illegalen) Aktivitäten des MI5. Streng genommen sollte der MI5 nur wirklich politisch Subversive ausforschen – also diejenigen, die eine Bedrohung für das politische oder wirtschaftliche Wohlergehen der Nation darstellten, sei es, weil sie Verbindungen zu externen Mächten wie der Sowjetunion hatten oder weil sie zum harten Kern derer gehörten , die revolutionäre Vorstellungen hatten. Jedoch war man beim MI5 der Ansicht, dass man mittels der „Erkundung einer subversiven Unterwanderung“ so gut wie jeden in einer Organisation ausforschen kann, seien es Bürgerrechtsorganisationen, Gewerkschaften, Streikende und auch Friedensaktivisten. Über Joan Ruddock, den Vorsitzenden des CND (Campaign for Nuclear Disarmament: Kampagne für nukleare Abrüstung) und späteren Parlamentsabgeordneten für die Labour-Partei, gab es eine umfangreiche Akte.
Auch in meinem Buch erinnere ich mich, dass das „Subversive“ an den ehemaligen Labour-Kabinettsmitgliedern Harriet Harman und Patricia Hewitt war, dass sie führende Mitglieder des NCCL (The National Council for Civil Liberties: Nationaler Rat für Bürgerrechte) waren, also genau jener Organisation, die dafür bestimmt war, uns vor solchem unbefugten Missbrauch unserer Rechte zu schützen.
Einmal stieß David [Shayler, ehemaliger MI5-Agent, Anm. Red.] auf eine Reihe von Mitteilungen in einer Akte, die Anfang der 1980er Jahre erstellt wurde. Sie waren geschrieben von Charles Elwell, dem notorisch paranoiden ehemaligen Chef des F2, der unter jedem Bett einen Roten sah und der erfolgreich argumentierte, dass [Informationen über] die Mitglieder der Exekutive des NCCL unter der Bezeichnung „verdächtiger Sympathisant: Kommunist“ registriert werden müssen, allein deshalb, weil sie Mitglieder des NCCL waren. Er gründete seine Annahme auf der Tatsache, dass ein oder zwei führende Mitglieder des NCCL Sympathien für kommunistische Ansichten hatten – die Organisation war daher per Definition eine kommunistische Frontorganisation.
Das ging über die eigenen Regeln des MI5 hinaus. Er rechtfertigte seine Arbeit gegen legitime, nicht-subversive Organisationen wie Gewerkschaften, CND, die NCCL und die Greenham-Common-Frauen (1) mit der Aussage, er würde diese Organisationen oder deren Mitglieder nicht an sich ausforschen, sondern nur die subversive Unterwanderung durch diese Gruppen. Als Ergebnis sammelte der MI5 zehn dicke Bände, sowohl über die Greenham-Common-Frauen als auch über die Kampagne zur nuklearen Abrüstung (CND).
Als zwangsläufige Folge sammelte der F2 persönliche Informationen und Details über legitime politische Aktivisten, die unter dem Vorwand, die subversive Unterwanderung dieser Organisationen aufzuzeigen, in offiziellen Berichten des Security Service an die Minister weitergeleitet wurden – damals bekannt als Box-500-Berichte.
Auf derselben Grundlage führte der Dienst auch eine Historie und sammelte Informationen über Gewerkschaftsaktivitäten und Arbeitskämpfe. Allerdings ging es auch hier wieder über eine strikte Studie der subversiven Aktivitäten hinaus, und Informationen über legitime Arbeitsproteste wurden an Minister und die Polizei weitergegeben.
Im Fall der Führungskräfte des NCCL bedeutete die Entscheidung, dass der MI5 ein Individuum ausforschen konnte – was bedeutet, dass Telefone abgehört, Bewegungen beobachtet, in Häuser eingebrochen und Wanzen installiert wurden –, nur weil es Mitglied der Exekutive des NCCL war, ohne überhaupt irgendeine andere Beziehung zum Kommunismus zu haben. Das war eindeutig eine Verletzung der demokratischen Rechte.
Es kann nicht sein, dass es „für eine Demokratie notwendig“ ist, die führenden Mitglieder einer Organisation auszuforschen, die mit der Aufrechterhaltung der demokratischen Rechte beauftragt ist, wenn es keine belastenden Informationen gibt. Harriet Harman und Patricia Hewitt erfuhren vom Verstoß gegen ihre Rechte, als 1984 die ehemalige MI5-Offizierin Cathy Massiter über den Dienst auspackte.
Als Konsequenz daraus zogen sie mit ihrem Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und gewannen, weil der MI5 nicht einer legal konstituierten und der demokratischen Rechenschaftspflicht unterworfenen Organisation entspricht, was der Mindeststandard in einer Demokratie ist. Erst als Folge dieses Richterspruchs stellte das Parlament 1989 im Security Service Act endlich den MI5 erstmals auf eine rechtliche Grundlage und machte diesen gegenüber Ministern rechenschaftspflichtig.
Ich gehörte zu dem Teil des F2 Teams, welches größtenteils die Studien über die Subversion im Vereinigten Königreich stilllegte. Jedoch würde ich wetten, dass neue Nachforschungen initiiert wurden, als die Stop-the-War-Koalition (STWC) wegen der Kriege in Irak und Afghanistan an Zugkraft gewann, da diese das Potenzial hatte, Tony Blairs Regierung in politische Verlegenheit zu bringen. Die STWC wird auf der einen oder anderen Ebene ausgeforscht worden sein – sei es durch Abteilungen der Polizei (Geheimpolizei) oder des MI5 selbst.
Im vergangenen Jahrzehnt gab es auch einen großen Zuwachs im kommerziellen Sicherheitssektor, welcher zum Einsatz kommt, wenn eine großflächige Überwachung von Aktivisten durchzuführen ist. Dieser Sektor ist privat und nicht Gegenstand selbst nur nominaler Beaufsichtigung, wie sie für offizielle Spione gilt.
Stephen Armstrong schreibt im Magazin New Statesman über die neuen Söldnerfirmen, die im letzten Jahrzehnt entstanden sind. Auch viele ehemalige Geheimdienst-Offiziere, die sich von der Bürokratie behindert sehen, wenden sich den privaten Söldnertruppen zu, die ihren eigenen Geheimdienst unterhalten. Die Nachfrage in Gegenden wie dem Irak ist hoch und die Bezahlung gut. Insbesondere profitieren die privaten Söldnerfirmen aber vom rechtsfreien Raum, der hier geschaffen wurde. Weder Kriegsrecht noch irgendeine Rechenschaftspflicht gilt für diese Söldner, im Gegensatz zu den existierenden Regeln für staatliche Geheimdienste und Armeen, die schwach genug sind. Diese Entwicklung ist eine sehr ernste Gefahr für die Demokratie und hat direkte und ernsthafte Auswirkungen auf den Rechtsschutz und die Rechte von Unbeteiligten in Krisengebieten und der ganzen Welt.
Hintergrund: Nach welchen Kriterien entwickeln Geheimdienste ein Interesse an Bewegungen und Organisationen?
Annie Machon: Infolge des Security Service Act von 1989 war es dem MI5 nur noch erlaubt, Menschen auszuforschen, die in das Auftragsgebiet einer zu „registrierenden Kategorie“ fielen – zum Beispiel „Mitglieder der Provisorischen IRA“. Allerdings konnten diese Kategorien bei der regelmäßigen Überprüfung von den Geheimdienstbeamten revidiert werden, und das Auftragsgebiet konnte tatsächlich sehr umfangreich werden. Beim F2 konnte beispielsweise so eine Kategorie „Kommunistischer Sympathisant“ sein. Mit anderen Worten: jemand, der eine flüchtige Bekanntschaft mit jemanden aus der Kommunistischen Partei haben könnte.
Nach dem 11. September 2001 mussten diese Kategorien exponenziell vervielfacht werden, um all die neuen Straftaten widerspiegeln zu können. Sie wurden in den vielen Anti-Terror-Gesetzen verabschiedet, mit denen Al Qaeda bekämpft werden sollte. So könnte beispielsweise jemand, der Geld für eine Wohltätigkeitsorganisation im Nahen Osten spendet, möglicherweise aufgrund der „Finanzierung einer möglichen terroristischen Organisation“ eine Akte haben.
Hintergrund: Nach welchen Kriterien wechseln Geheimdienste die Strategie von „passiven“ Überwachungsaktivitäten zu aktiven Maßnahmen der Infiltration, Subversion, Diskreditierungskampagnen, Operationen unter falscher Flagge etc.?
Annie Machon: Das hängt von der vermeintlichen Bedrohung ab. Bei augenscheinlich großen Bedrohungen hat der MI5 Vorrang und erhält die Unterstützung der anderen Geheimdienste: des MI6, des GCHQ [Government Communications Headquarters: Hauptquartier der Regierungskommunikation, Anm. Red.], der regionalen Spezialabteilungen der Polizei, der Spezialabteilung der Metropolitan Police – die ein landesweites Aufgabengebiet hat – des Finanzamtes und des Geheimdienststabes der Verteidigung.
Für wachsende aktivistische Organisationen gibt es im Vereinigten Königreich eine geheimdienstliche „Nahrungskette“: lokale Spezialabteilungen der Polizei können mit „wachsamem Auge“ beobachten, ob eine Gruppe wachsenden Zuspruch in der Zivilgesellschaft erfährt. Also zum Beispiel eine wachsende Anzahl von Mitgliedern, Demonstrationen, Petitionen, Treffen, sympathisierende Parlamentsabgeordnete, Berichterstattung in den lokalen Medien etc. Darauf aufbauend entscheidet man dann eventuell, die Gruppe aktiv zu überwachen: man schickt Undercover-Beamte zu den Treffen, Agents Provocateurs zu den Demos oder hat eine stille Unterredung mit den lokalen Medien, damit es nicht eine so große Story wird.
Wenn die Bewegung dann landesweit wächst und als Bedrohung für die nationale Sicherheit betrachtet wird, könnte sich der MI5 einschalten und die Führung bei der Investigation beanspruchen – mit Unterstützung der Polizei.
Das ist gleichbedeutend mit einer aggressiveren Ausforschung: Abhören der Kommunikation, verstärkte Unterwanderung durch Agenten, Wanzen in Häusern, Büros und Fahrzeugen, Zugang zu privaten finanziellen oder medizinischen Aufzeichnungen, Überwachungs-Teams rund um die Uhr, verdeckte Durchsuchungen von Eigentum. Was auch immer, sie tun es!
Die Mitwirkung des MI5 hängt sehr davon ab, wie viel andere Arbeit er zu tun hat, welchen „Stellenwert“ die Arbeit hat und wie viel Ansehen es bringen wird – beispielsweise ist Terrorismus „sexy“, Tierrechte sind es weniger. Hinzu kommen, wie schon oben erwähnt, private Sicherheitsfirmen, die oft über ehemalige Spione verfügen und angeheuert werden können, um aktivistische Gruppen zu überwachen.
Es gibt keine sinnvolle Aufsicht der Spionagebehörden im Vereinigten Königreich. Sie sind – von „Freedom of Information“-Anfragen ausgenommen – durch eine Reihe von Gesetzen vor Enthüllungen und Verrat geschützt. Am berüchtigtsten ist der Official Secrets Act von 1989, der bis zu 2 Jahre Gefängnis für den Fall vorsieht, wenn ein Mitarbeiter Zeuge eines Verbrechens wird und darüber berichtet. Journalisten können angeklagt werden, wenn sie über diese Informationen berichten.Die Dienste verfügen über engagierte Abteilungen, welche die Medien zum Vorteil der Spione beeinflussen können.
Somit ist es für skrupellose Elemente innerhalb der Spionagedienste relativ einfach, sich in illegale Aktivitäten zu verstricken und damit durchzukommen – bis hin zu Terrorattacken unter falscher Flagge. Das ist genau das, was mit meiner Hilfe 1997 aufgeflogen ist.
Damals ging es darum, dass der britische Geheimdienst MI6 einen Mordanschlag auf Gaddafi verübte, indem er eine Al-Qaeda-nahe extremistische Terrororganisation mit 100.000 US-Dollar unterstützte – ein Akt, der nach britischem Recht illegal ist. Der Mordanschlag schlug fehl, unschuldige Menschen starben und Gaddafi ist heute ein Verbündeter des Westens im „Krieg gegen den Terror“. Bis heute verweigert die britische Regierung eine Untersuchung in dieser Angelegenheit und verhaftet stattdessen Journalisten und Whistleblower (Hinweisgeber, Anm. Red.), die an der Aufdeckung arbeiten.
Hintergrund: Wie können Organisationen der Friedensbewegung merken, dass sie von Undercover-Beamten oder Agents Provocateurs infiltriert wurden?
Annie Machon: Nur sehr schwer! Ein guter Agent kann sich jedem Profil anpassen. Ruhige „Hinterzimmer“-Leute, die Zugang zu den Unterlagen der Gruppe haben, zu Mitgliederkarteien etc. sind jedoch immer prädestiniert, als Agenten nützliche Informationen zu sammeln.
Auch würde ich vorschlagen, dass Gruppen wachsam sein sollten gegenüber Individuen, die wiederholt Streitigkeiten provozieren, Widerspruch und Spaltungen verursachen – oder noch schlimmer, die gewalttätige Aktionen befürworten. Das könnte darauf hindeuten, dass es sich um Agents Provocateurs handelt.
Hintergrund: Es scheint so, als führen die Geheimdienste ein Eigenleben, und erst Recht die „neuen privaten Söldner“. Wenn es keine sinnvolle Aufsicht über die Geheimdienste gibt, in wessen Interesse arbeiten diese dann wirklich?
Annie Machon: In ihrem eigenen, also im Interesse ihrer Klasse. Natürlich wird das auf verschiedenste Art und Weise verschleiert: die Interessen der Spione scheinen wundersamerweise immer mit denen der „nationalen Sicherheit“ übereinzustimmen.
Die oberen Ränge der offiziellen und nicht offiziellen Geheimdienste sind für gewöhnlich immer noch mit Mitgliedern des Establishments besetzt oder von Leuten, die aufgestiegen sind und nun dazugehören. Sie verfügen über persönliche Verbindungen und Beziehungen zu Leuten aus Politik, Medien, Diplomatie, Militär, Rüstungsfirmen, Finanzen und großen Konzernen.
Hintergrund: Was wäre ein vernünftiger Kontrollmechanismus für Geheimdienste in einer demokratischen Gesellschaft?
Annie Machon: Das ist eine große Frage. Als Erstes müssen wir definieren, was wir unter „Geheimdiensten“ verstehen. Sprechen wir über Spionage- und Gegenspionagedienste? Terrorismusbekämpfung? Anti-Subversion – also das Ausspionieren der eigenen Bürger? Polizei – eine neue Stasi?
Es gibt so viel Mysteriöses, was über „Geheimdienste“ berichtet wird. Die Leute vergessen oft, warum diese Dienste gegründet wurden und was ihre Basisfunktion ist. Im Vereinigten Königreich wurden sie als Gegenspionagedienste ins Leben gerufen. Daher stammt die allumfassende Verschwiegenheit. Aber heutzutage dienen sie in erster Linie der Terrorismusbekämpfung. Das ist vor allem eine Polizeiaufgabe. Terrorismus ist im Wesentlichen, bei all der Hysterie, eine Straftat – eine entsetzliche, aber immer noch eine Straftat.
In der Geschichte des Vereinigten Königreiches haben Spezialabteilungen der Polizei diese Arbeit ausgeübt. Jetzt hat der MI5 die Führung übernommen, während die Spezialabteilungen Unterstützung leisten und als exekutive Gewalt bei Festnahmen dienen.
Das hat dazu geführt, dass die auf Beweisen fußenden Ermittlungen der Polizei in die Schattenwelt der Geheimdienste verlegt wurden, wodurch jeder Begriff juristischer Gerechtigkeit zerstört wird.
Meiner Meinung nach ist die Verschmelzung der organisatorischen Funktionen und die daraus resultierende verstärkte Geheimhaltung einer der Schlüsselfaktoren, die zum Abgleiten der Geheimdienst-Gemeinschaft in illegale Aktivitäten geführt hat: außerordentliche Auslieferungen, Folter, unfaire Verfahren und eine wachsende Überwachung der Gesellschaft.
Wie stellen wir also vernünftige Kontrollen her? Ich würde vorschlagen, dass unsere Regierungen einen Schritt zurückgehen und sich fragen: Welchen Bedrohungen sieht sich unsere Gesellschaft wirklich ausgesetzt und wie können wir uns am besten vor diesen Bedrohungen schützen? Wenn Al Qaeda als die größte existenzielle Bedrohung betrachtet wird, warum richten wir dann nicht zum Zweck der Terrorbekämpfung eine Polizeibehörde ein, die innerhalb der Gesetze und auf Basis der Menschenrechte agiert, um dieser Bedrohung entgegenzuwirken?
Und natürlich bedarf es einer sinnvollen Aufsicht durch ein Regierungskomitee, das alle Aspekte der Geheimdienstarbeit beaufsichtigen kann – es dürfen nicht nur die Polizei, die Administration und die Finanzen einer Kontrolle unterliegen, wie es gegenwärtig die Situation im Vereinigten Königreich ist. Das Komitee müsste in der Lage sein, operative Manöver zu überwachen, Straftaten und Machtmissbrauch zu ermitteln, Zeugen unter Eid zu befragen und relevante Unterlagen zu verlangen, um einzelne Spione wirksam zur Rechenschaft ziehen zu können.
Und schließlich gibt es einen Bedarf an effektiven und legalen Wegen, die Hinweisgeber beschreiten können. Gegenwärtig werden Geheimdienstbeamte, die Zeugen eines von einem Spion begangenen Verbrechens werden und dieses enthüllen, aufgrund des Official Secret Act von 1989 kriminalisiert. Dabei sind dies genau die Leute, die vom Gesetz geschützt und nicht verfolgt werden müssten, wenn wir, die Bürger, darauf vertrauen wollen, dass die Spionagedienste legal und rechenschaftspflichtig sind.
Hintergrund: Ist die 9/11-Truth-Bewegung im Vereinigten Königreich vom Secret Service unterwandert?
Annie Machon: Nun, ich habe niemals jemanden erkannt – aber ich würde annehmen, dass selbst der MI5 nicht so dumm ist, jemanden, den ich kennen würde, in eine Organisation einzuschleusen, mit der ich zusammenarbeite.
Wie ich bereits zuvor erwähnt habe, arbeiten sich politische Organisationen im Vereinigten Königreich in der Hierarchie der Sicherheitsinteressen hoch – angefangen von der Observation durch Spezialabteilungen der lokalen Polizei bis hin zu einer aufdringlicheren Überwachung, falls die Gruppe als größeres Risiko für die „nationale Sicherheit“ betrachtet wird – und diese Schuldzuweisung umfasst eine ganze Reihe von Sünden wie zum Beispiel die, die gegenwärtige Regierung in Verlegenheit zu bringen.
Ich denke, die 9/11-Bewegung schlug in den Jahren von 2006 bis 2008 im Vereinigten Königreich einige Wellen, als wir nationale Veranstaltungen und eine Speakers Tour organisierten und die landesweiten Mainstream-Medien einige ernsthafte Interviews durchführten. Dazu gehörte auch die generelle Berichterstattung der lokalen Medien, die die landesweite Sprecher-Tour begleiteten. In diesen Jahren kam es auch zu einer Annäherung von Aktivisten aus ganz Europa, mit einer wachsenden gemeinsamen Arbeit bei Projekten wie z.B. einer europäischen Referenten-Tour und verschiedenen Treffen von Aktivisten.
Im Jahr 2008 fiel die Bewegung im Vereinigten Königreich jedoch aufgrund von Differenzen über die Herangehensweise an Kampagnen auseinander. Einige Leute plädierten eher für eine politische Herangehensweise, einige waren mehr auf direkte Aktionen fokussiert, und andere zogen es vor, all ihre Energien in die Recherche zu stecken, bis hin zu den umstrittenen, spekulativen und spaltenden Themen. Letztere Herangehensweise erwies sich als besonders schädlich und spaltend.
Die Bewegung in den USA hat einen ähnlichen Prozess durchgemacht wie die in anderen Ländern wie z.B. den Niederlanden. Dies resultierte nicht nur in beleidigenden, persönlichen Streitereien, sondern auch in einer Reihe unbegründeter Anschuldigungen dahingehend, wer für die „dunkle Seite“ arbeiten könnte oder auch nicht, was Misstrauen und Spaltung zur Folge hatte.
Mir kommt dies verdächtig vor, denn es hat den Anschein, dass es abgestimmt war, besonders nachdem ein Bericht eines Think Tanks der US-Regierung vom Januar 2008 an die Öffentlichkeit kam, welcher präzise den Prozess beschreibt, mit dem Gruppen wie die internationale 9/11-Bewegung irre geleitet werden sollen. (2)
Die historische Praxis des „Teile und herrsche“ ist immer noch äußerst effektiv. Und während ich einen Verdacht gegenüber bestimmten Individuen habe, würde ich jedoch nie mit dem Finger auf jemanden zeigen, ohne über belastbare Beweise zu verfügen. Als Truth-Bewegung müssen wir uns auf das große Ganze konzentrieren – die ernsten Themen, die uns alle und unsere Zukunft betreffen – und nicht im Morast der Mikropolitik versinken. Die Probleme, denen die Welt ausgesetzt ist, sind zu groß und tödlich ernst, so dass wir erkennen müssen, dass wir alle auf derselben Seite stehen und uns auf allen Ebenen für etwas Besseres einsetzen müssen.
Hintergrund: Wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Gespräch führte Jens Wagner. Es erschien zuerst in Hintergrund Heft 4/2010.
Anmerkungen:
(1) Frauen, die ein Friedenscamp in Greenham Common in Berkshire, England, errichteten, welches sich gegen den dortigen Luftwaffenstützpunkt und dessen nukleare Bewaffnung richtete.
(2) Gemeint ist das Papier „Conspiracy Theories“ von Cass Sunstein und Adrian Vermeule, hier nachzulesen: http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1084585
Mit freundlicher Genehmigung von hintergrund.de