Am 07. August 1964 stimmten der US Senat und das Repräsentantenhaus über eine Resolution ab, die den Präsidenten der USA Lyndon B. Johnson ermächtigte, mit militärischer Gewalt gegen die Demokratische Republik Vietnam (DRV) vorzugehen. Die Resolution, die als Tonkin-Resulotion in die Geschichte einging, war ein Blankoscheck für den US Präsidenten für Bombardements und andere militärische Maßnahmen gegen 'Nordvietnam', wie die DRV von den Regierungen und Medien in den USA und Europa genannt wurde.
In der Resolution heißt es: "... sind die Vereinigten Staaten, gemäß dem Entschluss des Präsidenten bereit, alle notwendigen Maßnahmen einschließlich der Anwendung von Waffengewalt zu ergreifen, um jedem Mitglied oder Signaturstaat des "South East Asia Treaty Organization” beizustehen, der um Hilfe zur Verteidigung seiner Freiheit bittet." ([1] Seite 185). Gemeint war damit die südvietnamesische Regierung in Saigon.
Eingefädelt wurde diese Resolution, die als Startsignal für den "Vietnamkrieg" gilt, durch eine Lüge. Angeblich hatten Schnellboote der DRV die amerikanischen Zerstörer "Maddox" und "C. Turner Joy" am 02. und 04. August 1964 in internationalen Gewässern angegriffen.
1963/64: Marionetten-Offiziere in Saigon
Die USA standen zu diesem Zeitpunkt bereits seit Jahren mit über 15.000 Militärberatern in Südvietnam und unterstützen die von der USA abhängigen Marionettenregierungen im Kampf gegen die Befreiungsfront. Das klare Ziel der US-Politik war der Kampf gegen den Kommunismus. In Vietnam hatten die USA ein Jahr zuvor den Despoten Diem wegputschen lassen und in kurzer Folge danach zwei weitere Generale als Präsidenten erst installiert um sie kurz darauf erneut wegzuputschen. Die Unterstützung der Bevölkerung im Süden Vietnams für die Befreiungsfront konnte dadurch allerdings trotzdem nicht gebrochen werden. Auch unter den neuen Machthaber in Saigon, Van Thieu, drohte der 'Fall Saigons'.
Im Wahlkampf 1964 in den USA zogen deshalb sowohl Republikaner als auch Demokraten eine Bombardierung 'Hanois' ins Kalkül, weil diese die Befreiungsfront im Süden unterstützten. ([2] S. 84). Offensichtlich ging es nur noch darum, einen Grund für diese Bombardierung zu konstruieren. "In einem Rundfunkinterview der BBC stellte Georg Ball (er war 1964 Staatssekretär im Außenministerium – SK) 13 Jahre nach diesem Vorfall fest: "Viele von denen, die mit dem Krieg befasst waren, ... haben nach einem Vorwand für die Bombardierung gesucht. ... Die DESOTO-Patrouillen dienten in erster Linie der Provokation... Es machte sich die Ansicht breit, dass es genau der von uns gewünschten Provokation entspräche, wenn der Zerstörer in Schwierigkeiten geriete" (zitiert nach [1] Seite 188)
34A-Attacken: Bewusste Provokation Nordvietnams
Zurück in den Sommer 1964 vor die Küste Nordvietnams. Zur Provokation führten die USA zusammen mit der Marine der südvietnamesischen Armee zwei Operationsformen gegen die DRV aus. Die erste Operationsform (DESOTO- Patrouillen) wurde durch die US Marine selbst ausgeführt. Speziell ausgerüstete Marineschiffe kreuzten unmittelbar vor der Küste Nordvietnams, um den Radio- und Funkverkehr abzuhören. Sie bewegten sich dabei bis zu drei Seemeilen vor der Küste Vietnams, obwohl international eine Sperrzone von acht Meilen galt. Die USA beriefen sich in ihrer Interpretation vom Beginn der internationalen Gewässer einfach auf militärisches Kartenmaterial der Franzosen aus dem ersten Indochinakrieg. (siehe dazu Fußnote in [1] S. 175).
Die zweite Operationsform waren die sogenannten "Plan 34A Attacken". Es handelte sich dabei um von der CIA geplanten und der südvietnamesischer Marine ausgeführten 'hit und run' – Angriffe. "Schnellbote mit südvietnamesischer Besatzung oder ausländischen Söldnermannschaften griffen dabei die nordvietnamesische Küste und die vorgelagerten Inseln an" ([1] Seite 174). Ein solcher Angriff erfolgte am 30. Juli auf die Inseln Hon Me und Hon Ngu.
Die Maddox
Zwei Tage später am 02. August 1964 tauchte der Zerstörer Maddox auf DESOTO-Fahrt erneut vor diesen Inseln auf. Um 15.40 (vietnamesischer Ortszeit) meldete sie, dass sich Schnellbote näherten und Schüsse mit Torpedos und Bordfeuerwaffen abgegeben habe. Es gab aber keinerlei Verletzte noch Beschädigungen.
Wiederum 2 Tage später erfolgte in den frühen Morgenstunden (Ortszeit) des 04.08.1964 ein weitere 34A-Überfall auf die Küste Vietnams. ([1] S. 178). 'Um 19.40 Saigoner Ortszeit meldete dann die Maddox über Funk, es scheine ein Angriff bevorzustehen' und '... sie habe Radarkontakt mit drei nicht identifizierten Schiffen. Von der Ticonderoda, einem in der Nähe kreuzenden amerikanischen Flugzeugträger, stiegen Kampfmaschinen zur Unterstützung der Maddox und Turner Joy auf. In dieser mondlosen Nacht sorgten tiefhängende Wolken und Gewitter für extrem schwierige Sichtbedingungen. Im Golf herrschte während der folgenden Stunden Konfusion. Die beiden Zerstörer berichteten über mehr als zwanzig Torbedoangriffe, durch Torpedoabschüsse hervorgerufene Turbulenzen im Wasser, feindliche Cockpitlichter, Suchscheinwerfer, Maschinengewehrfeuer und Radar- unf Echolotkontakte.' ([1], S. 178). Auf Nachfrage von McNamara meldete der Kommandeur der DESOTO-Patrouille Captain John J. Herrick zirka 5 Stunden nach dem Ereignis: "Überprüfungen des Vorfalls lässt viele der gemeldeten Feindberührungen zweifelhaft erscheinen. ... Die meisten der Meldungen beruhen vermutlich auf wetterbedingten verzerrten Radarbeobachtungen und Übereifer bei der Echolotauswertung". (zitiert nach [1] S. 180)
Hauptsache, man hat einen Grund
Obwohl die tatsächliche militärische Lage im Golf von Tonkin also äußerst unklar war ordnete Präsident Johnson am 05.08.64 die Ticonderoga an Vergeltungsschläge gegen die DRV zu führen. Kampfbomber der Ticonderoga flogen 64 Einsätze gegen Marinestützpunkte in Nordvietnam und Ölversorgungseinrichtungen.
Am 06.08.64 begannen dann die Sitzungen der US Senatsausschüsse mit den Streitkräften der USA um eine Resolution gegen Vietnam zu formulieren: die Tonkin-Resolution, die schon einen Tag später verabschiedet wurde. Während der heißen Phase des Wahlkampfes herrschte noch etwas 'Ruhe'. Anfang März 1965 jedoch starteten dann die US-Bomber und begannen mit der systematischen Bombardierung Hanois und anderer Städte Nordvietnams.
Auch wenn der Zwischenfall nicht bewusst herbeigeführt worden ist, so wurde die Fehleinschätzung junger unerfahrener Matrosen an den Sonargeräten von der US Regierung bewusst benutzt, um den Krieg gegen die DRV zu beginnen. Präsident Johnson wusste um diese Lüge. "Verdammt, diese saudummen Jungen haben nur auf fliegende Fische geschossen" soll er laut Georg Ball wenige Tage nach dem er seinen Freibrief hatte, gesagt haben. (Zitat nach [3] S. 104)
[1]Robert S. McNamara, Vietnam – Trauma einer Weltmacht,
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1996
[2]Jonathan Nale, Der amerikanische Krieg,
Neuer ISP Verlag, Köln, 2004
[3]Frey, Marc, Geschichte des Vietnamkriegs,
Beck – Verlag, München, 1999
Die Tonkin-Resolution und der Tonkin-Zwischenfall
Blanko-Scheck für den Krieg in Vietnam
Autor: Stefan Kühner
Quelle der Erstveröffentlichung: http://www.vietnam-freunde.net/
© Stefan Kühner, Karlsruhe
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