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Gladio und Terror in Deutschland: Das Oktoberfestattentat

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Teil 2 des Interviews mit Daniele Ganser über Terroranschläge in Westeuropa, blockierte Ermittlungen in Deutschland und die These vom manipulierten Terror im "War against terror".

Welche Terroranschläge in Deutschland tragen ihrer Meinung nach die Handschrift von Gladio?

Daniele Ganser: Der einzige Terroranschlag in Deutschland, der in Deutschland in dieser Richtung diskutiert wird, ist das Oktoberfestattentat von 1980. Damals konnte von der Polizei festgestellt werden, dass die Wehrsportgruppe Alfred Hoffmann hinter diesem Anschlag steckt und dass ein Mitglied dieser rechtsextremistischen Organisation ums Leben gekommen war. Offiziell hat man das abgehakt als ein Anschlag einer isolierten rechtsextremen Truppe. Was man aber nicht untersucht hat war, inwiefern rechtsextreme Gruppen in Geheimarmeen involviert und integriert waren. Auf diesen Gedanken ist seinerzeit niemand gekommen. Es kam aber ein Jahr danach zu einem spektakulären Waffenfund und ein gewisser Heinz Lembke wurde als Halter des Waffenlagers identifiziert, in dem Sprengstoff, Handfeuerwaffen etc. zu finden waren. Da kam die Frage auf, ob aus diesem Waffenlager nicht der Sprengstoff für das Oktoberfest stammen könnte. Denn die Polizei hatte bereits vorher die Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann befragt und diese hatten ausgesagt, sie hätten ihren Sprengstoff von einem Heinz Lembke und der hätte noch viel davon.

Spektakulärer Waffenfund

Aber man ging diesem Hinweis nicht nach. Dies war eine Spur, die nicht verfolgt wurde. Aber als das Waffenlager durch Wanderer ein Jahr später zufällig entdeckt wurde hat man diesen Lembke festgenommen. Die Frage drängte sich auf, ob dessen Waffenlager nicht Teil eines Stay Behind-Netzwerkes ist. Man wollte dies dann auch heraus finden und Lembke dazu befragen, aber er wurde dann erhängt in seiner Zelle gefunden. Daraufhin sind die Ermittlungen wieder versandet. Die deutsche SPD-Abgeordnete Hertha Däubler-Gmehlin fragte dann noch einmal im Bundestag nach, ob es eine Verbindung zwischen Lembkes Waffenlager und dem Anschlag in München gäbe, worauf dies die hiesige Bundesregierung verneint hat. Und hier ruht der Fall, denn er ist nie wieder untersucht worden.

Gedenksäule auf dem Oktoberfest (Bild: Wikimedia Commons)

Also gilt in Deutschland weiterhin die Einzeltäterthese?

Daniele Ganser: So ist es.

Wie viele Todesopfer haben die Gladio-Einsätze in Westeuropa insgesamt gefordert?

Daniele Ganser: Das kann man nicht bestimmen. Die Studie über die militärischen Geheimstrukturen in Europa ist eine Forschungsarbeit, die man nur gegen größte Widerstände führen kann. Was man bisher sicher sagen kann ist, dass die Geheimarmeen wirklich existierten, sie mit der NATO koordiniert waren, die CIA und MI6 diese Geheimarmeen trainierten und Rechtsextreme involviert waren.

Terroranschlag von Peteano

Es ist auch gesichert, dass man sich auf die Invasion durch die Sowjetunion vorbereitete und in allen Ländern über geheime Waffenlager verfügte. Was nicht klar ist: Wie stark die Gladio-Armeen bei den Anschlägen, wie dem in München oder die in Italien von 1969, 1972, 1974 und 1980 oder der Putsch in Griechenland von 1967 oder beim Regierungsputsch in der Türkei 1980 oder beim Kampf in Frankreich zwischen De Gaulle und der Organisation Armee Secrete, kurz OAS, während des Algerienkrieges involviert waren. Denn dazu braucht es ja Namen. Andererseits gibt es eine lange Kette von Indizien. Es gibt z. B. in Italien Leute, die behaupten mit den Geheimarmeen in Kontakt gewesen zu sein. Vincenzo Vinciquerra ist so jemand. Dieser hat den Terroranschlag von Peteano im Jahr 1972 angeführt.

Dieser Anschlag hat überhaupt erst dazu geführt, dass man die Existenz von Gladio-Armeen aufgedeckt hat. Denn damals hat der Untersuchungsrichter Felice Casson den Anschlag genau durchleuchtet. In Frankreich hat der ehemalige Direktor des Geheimdienstes, Admiral Pierre Lacoste, gegen Präsident De Gaulle erklärt, die französischen Geheimarmeen seien in Terroranschläge involviert gewesen. Es ist also schon wichtig zu verstehen, dass man den Geheimarmeen erst auf die Spur gekommen ist, als man begann, Terroranschläge genau zu untersuchen.

"Mit Terroranschlägen kann man Menschen gut in Kriege hetzen"

Das bedeutet nun wiederum nicht, dass hinter jedem Terroranschlag Gladio stecken muss, aber dies ist einfach ein Feld, dem man sich in Europa stellen muss und hier wird einfach strikt gemauert. Weil dies würde bedeuten, dass die Geheimdienste kein Schutz für die Bevölkerung waren, sondern selber Terror ausgeübt haben um bei der Bevölkerung Angst zu schüren und dies ist eine komplett andere Sichtweise als die offizielle. Denn die NATO, die z. B. in Afghanistan vorgibt, gegen den Terror zu kämpfen, wäre somit selbst Quelle des Terrors, auch in ihren Mitgliedsstaaten. Aber dies sind fundamentale Neuinterpretationen des Zeitgeschehens, die auf größte Schwierigkeiten stoßen. Was die Friedensforschung, die mir sehr am Herzen liegt, in diesem Zusammenhang betont ist, dass Terroranschläge nicht verhindert werden können. Es wird immer wieder Terroranschläge geben. Auch der totale Überwachungsstaat, den wir alle nicht wollen, könnte das nicht verhindern. Aber mit dem Terror, bzw. der Angst vor Terror werden die Leute in Kriege hineingehetzt. Man hat nach 9/11 die Anschläge mit dem Irak in Verbindung gebracht, eine dreiste Lüge, aber wir haben jetzt dort Krieg. Zudem hat man den 9/11-Terror mit Afghanistan in Verbindung gebracht und auch die Bundeswehr kämpft jetzt in Afghanistan, weil dort Osama Bin Laden gelebt hat, der als der weltweit schlimmste Terrorist gilt. Wir sehen also, dass man mit Terroranschlägen die Menschen gut in Kriege hetzen kann, ohne dass überhaupt erklärt wird, wer hinter dem Terror steckt. Denn dies herauszufinden ist immer sehr schwierig, wie man ja bei Gladio sieht, und da sind viele Jahre vergangen. Ich halte nichts davon, wenn Politiker nach einem Terroranschlag den Schuldigen benennen und zum Krieg aufrufen. Denn Terror wird zu oft manipuliert und so ist es wichtig zu sagen, wegen eines Terroranschlages bin ich nicht für Krieg und das wird auch weiterhin wichtig sein.

Gibt es Publikationen über versteckte Aktionen in Amerika selber? Wird irgendwo z. B. die Eliminierung der Kennedy-Brüder, von Martin Luther King und der Black Panther mit militärischen Geheimorganisationen in Verbindung gebracht?

Daniele Ganser: Das habe ich nicht untersucht. Ich habe mich auf Europa beschränkt. Zwar gibt es freilich in Amerika die Diskussion, ob die Geheimdienste an diesen Morden beteiligt waren, aber ich denke, es ist sehr unklar, wie dort die Sachen gelaufen sind.

Könnten sie sich vorstellen, dass - wie z. B. Jürgen Elsässer in seinem neuen Buch "Terrorziel Europa – Das gefährliche Doppelspiel der Geheimdienste" ausführt - bei den Anschlägen islamischer Terroristen in West-Europa westliche Parallelarmeen oder Geheimorganisationen involviert sind?

Daniele Ganser: Es ist die These von Jürgen Elsässer, dass das, was wir als muslimischen Terror vorgeführt bekommen, manipuliert durch die Geheimdienste ist, um mit der Verunsicherung der Bevölkerung einen Abbau der Bürgerrechte zu erreichen und die Ölkriege im Irak und in Afghanistan zu legitimieren. Das ist zumindest möglich und es ist auf jeden Fall wichtig, dass man das untersucht. Ich selbst habe das Buch von Jürgen Elsässer, das soeben erschienen ist, noch nicht gelesen, aber es gibt diese Debatte.

"Manipulierter Terror"

Ich denke, Elsässer ist ein ehrlicher Mann, der den Dingen auf den Grund gehen will. Ob er in jedem Punkt richtig liegt, weiß ich nicht. Aber dass er von manipulierten Terror spricht, finde ich ganz wichtig, diese Debatte gibt es noch viel zu wenig. Denn immer mehr Indizien zeigen, dass es nicht nur im Kalten Krieg manipulierten Terror gab. Vor einigen Jahren kam es z. B. im Irak zu einem Zwischenfall als Mitglieder einer englischen Spezialeinheit in Basra festgenommen wurden. Diese fuhren als Muslime verkleidet ein Auto, das mit Sprengstoff beladen war. Man ging davon aus, dass diese Agenten das Auto in der Menge sprengen wollten, um den Terror den Muslimen anzuhängen. Leider kam es nicht zum Prozess, weil die britische Armee die Agenten mit Panzern aus dem Gefängnis befreite. Das hat natürlich wenig mit Transparenz und Rechtstaatlichkeit zu tun. Und so bleibt die Frage, ob es solche Operationen nicht auch in Europa geben hätte können, vielleicht auch von Muslimen organisiert, die für den Geheimdienst arbeiten. D.h. man kommt in ein Forschungsgebiet, das sich "inszenierter Terrorismus" nennt. Dies ist ein sehr kompliziertes Forschungsgebiet aber mit den Gladio-Geheimstrukturen konnte ich für den Kalten Krieg aufzeigen, dass es inszenierten Terrorismus gibt. Das ist ein Begriff, der aber in der Terrordebatte noch gar nicht auf dem Radar ist.

Wie viel wird es zu künftig noch ihrer Einschätzung nach über die Gladio-Einheiten zu entdecken geben? Werden hier eines Tages noch Archive geöffnet?

Daniele Ganser: Es gibt zwei Möglichkeiten: Einerseits die Parlamente drängen darauf hin, dass die Geheimarmeen untersucht werden. Das war in Deutschland und in Österreich bis zum heutigen Tag nicht der Fall. Immerhin gab es in der Schweiz eine solche Untersuchung und ein Bericht zur Geheimarmee P26, das ist auch für die historische Forschung wertvoll. Ich denke, auch in Deutschland und Österreich müsste es eine intensive parlamentarische Untersuchung der Geheimarmeen geben, die zum Schluss vielleicht in einem zweihundertseitigen Bericht zusammengefasst wird. Aber so eine historische Untersuchung macht man nicht. Und solange dieser Wille zur Aufklärung fehlt wird es sehr schwierig bleiben, dies wissenschaftlich aufzuarbeiten.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass ehemalige Mitglieder dieser Geheimarmeen Memoiren schreiben. Dies wäre eine Informationsquelle. Wiederum aber wäre diese Quelle unsicher, weil sich die Leute in ihren Memoiren oft vorteilhaft darstellen möchten, das ist bei jeder Geschichtsschreibung so. Es wäre also notwendig, diesen Themenkomplex, wie vom Europäischen Parlament bereits 1990 gefordert, zu untersuchen. Mein Buch ist hierzu eine Basis, aber dazu braucht es noch mehr. Das Wissen und die öffentliche Debatte über den verdeckten Bereich der internationalen Politik steckt noch in den Kinderschuhen.

Werden Sie in dieser Richtung weiterarbeiten?

Daniele Ganser: Was mich im Moment interessiert, ist die Energiedebatte und der Kampf um Erdöl und Erdgas. Man muss sich nur in Erinnerung rufen, dass im Kalten Krieg die globale Erdölproduktion von 6 Millionen Fass im Jahre 1945 auf heute 86 Millionen Fass pro Tag gestiegen ist. Im Rückblick betrachtet war der Kalte Krieg ein Erdölrausch, damals hatten wir Wirtschaftswachstum und Wohlstand in weiten Gebieten der Welt. Jetzt aber gelangen wir an einen Punkt, wo peak oilerreicht wird, wo also die Erdölförderung nicht ausgebaut wird, sondern zurückgeht.

Wann genau dieser peak oil kommt, weiß man zwar nicht. Aber ich erwarte im 21. Jahr zugespitzte Kämpfe um Gas und Erdöl. Ich beobachte bereits, dass in Afghanistan eine Pipeline gelegt werden soll vom Kaspischen Meer zum Indischen Ozean und diese Pipeline verläuft durch Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan, Indien. - Diese Dinge interessieren mich. Ich frage mich, inwiefern spielt inszenierter Terrorismus im Kontext mit den sich zuspitzenden Energiekämpfen eine Rolle und hier stütze ich mich auf Erfahrungen, die ich im Gladio-Buch gemacht habe, bzw. ich wende sie auf die Energie-Krise und –Kämpfe des 21. Jahrhunderts an.

copyright Telepolis von Reinhard Jellen 26.09.2008

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